Der künstliche Hype um die Frauen-WM

Sie sind ausgeschieden. Im Viertelfinale. Sie sind nicht Weltmeister, oh pardon, Weltmeisterin, geworden, so wie uns das in den letzten Wochen beinahe gebetsmühlenartig eingetrichtert worden ist. Es schien nur Formsache zu sein, dass die deutsche Frauen-Elf das Triple holt, den dritten Titel in Folge. Zuhause. Vor eigenem Publikum. Sonnenklar eigentlich. Der Titel im eigenen Land schien alternativlos. „Dritte Plätze sind was für Männer“ wurde großspurig von den Öffentlich-Rechtlichen plakatiert. Und dann? Eine Niederlage nach Verlängerung gegen die Japanerinnen. Im Viertelfinale. Das war nicht eingeplant. Jetzt muss das ZDF heute Abend Japan gegen Schweden trotzdem übertragen. Und wahrscheinlich schaut nur noch ein Bruchteil zu, auch wenn das Spiel zur besten Sendezeit kommt. Deutschland als Gruppenerster Gruppenerste war fest eingeplant, das Weiterkommen bis zum Finale auch. Jetzt ist alles anders. Und in völliger Kritiklosigkeit wurden Fehler auch nach dem Ausscheiden nicht angesprochen. Sie wurden totgeschwiegen und übergangen, während bei den Männern jeder Stellungsfehler in einem unwichtigen Freundschaftsspiel nach Saisonende im Standbild auf die Goldwaage gelegt wird. Sind die Frauen unantastbar, nur weil eine Sportart in der Vermarktungsmaschineriezwickmühle steckt?

ARD-Moderator Michael Antwerpes wollte das während der Vorrunde sicher so nicht sagen, als er meinte, „Frauen-WM ist, wenn man trotzdem Spaß hat.“ Wie recht er aber hat, auch wenn die beiden öffentlich-rechtlichen Sender in ihrer originellen Werbe-Kampagne so getan haben, als sei die WM 2011 die Fortsetzung der WM 2006, zumal zeitgleich so ausgelutschte Parolen wie „Sommermärchen reloaded“ die Runde machten. Die Spiele der deutschen Elf waren ja noch halbwegs interessant, weil es eben die deutsche Elf war. Die Spiele schaue ich mir auch an, wenn ich daheim bin, aber andere Spiele? Nordkorea gegen die USA? Kanada gegen Frankreich? Warum sollte ich mir das anschauen? Das ist in etwa so interessant wie ein Gruppenspiel beim Feldhockey, wenn Olympische Spiele sind. Auch da schaue ich mir, wenn es gerade passt, die Spiele der Deutschen an, aber ansonsten ist Frauen-Fußball einfach eine Randsportart, das haben DFB und Medien in ihrem ganzen Getue schlicht vergessen oder sie wollten es vergessen machen. Es ist ja Fußball. Auf jeden Fall ist es eine für all diejenigen eine Randsportart, die nicht unterm Jahr auch die Ligaspiele der Frauen verfolgen und die Spielerinnen aus dem Fußball-Alltag kennen. Ich kenne sie nicht und mich interessiert das auch nicht. Da hilft es auch wenig, wenn sich Angela Merkel mit ähnlicher Entzückung bei jedem deutschen Tor gefreut hat wie in den letzten Jahren auf den Ehrentribünen von Deutschland, Österreich und Südafrika. Die Schere geht bei den Frauen einfach recht weit auseinander, wenn die besten am Ende unter sich sind, dann könnte auch die Attraktivität der Spiele größer werden, aber selbst das war nicht der Fall. Die Spiele der deutschen Mannschaft – es ist faszinierend, wie sehr sich die Journalisten in ihrem Wahn nach political correctness und der oft strapazierten Gleichberechtigung um diesen Begriff gewunden haben  – waren, abgesehen vom Spiel gegen die Französinnen, eben keine Werbung für den Frauenfußball und auch die anderen vermeintlichen Topspiele waren mitunter schwere, da langweilige Kost. Die Weltspitze ist eben nicht so dicht wie bei den Männern, das sollten die nicht vergessen, die in ihrem Wahn eine ähnliche Bezahlung einfordern wie bei den Männern. Wenn die Männer ein Vielfaches verdienen und alle Stadien ausverkauft sind, dann liegt das einfach daran, dass in vielen Mannschaften Stars spielen. Wenn bei den Männern Underdogs gegeneinander spielen, ist das ebensowenig interessant. Saudi-Arabien gegen Tunesien muss ich da auch nicht anschauen, ich würde auch kein Geld dafür bezahlen, nur damit ich bei einem WM-Spiel im Stadion war. Wenn die Uefa die Europameisterschaft in Zukunft mit 24 Teams spielen lassen will, riskieren sie genau die Attraktivität, die die Männer-Wettbewerbe bisher ausgemacht haben, aber schon bei Weltmeisterschaften teilweise eingebüßt haben. Immer mehr Kleine dürfen dann zwar mitmachen und bei den Herren sind auch regelmäßig die Ränge voll, folglich wird jede Menge Kohle zusätzlich gescheffelt. Die Uefa hat 53 Mitgleidsverbände, wenn 24 Teams spielen, ist also fast die Hälfte dabei. Bei der EM 1988 in Deutschland haben acht Teams den Europameister ermittelt, da war jedes Spiel ein Kracher. So können Fifa und Uefa halt mehr verkaufen und vermarkten und melken die Kuh bis auf den letzten Tropfen. Mit der Frauen-WM sollte das jetzt ähnlich laufen, es wurde bis zum Erbrechen vermarktet und geworben und so getan, als wäre die Begeisterung in Deutschland die gleiche und Frauen-Fußball eigentlich auch genau das gleiche. Überall würde gefeiert, aber das Ganze ist reichlich künstlich.

Putzig, wenn Jakob Augstein in seiner – wieder einmal – unfreiwillig komischen Kolumne auf Spiegel-Online im Sinne der Gleichberechtigung die gleiche Bezahlung fordert. Wenn die Frauen eine ähnliche Reichweite hätten wie die Männer, würden sie auch in ähnlicher Weise bezahlt. Ganz klar. Der Markt ist aber einfach nicht da. Und selbst wenn noch so viel künstliche Stimmung fabriziert wird, Frauen-Fußball bleibt eine Randsportart. So gerne ich bei Weltmeisterschaften Panini-Bilder sammle, das Album bei den Frauen ist nur ein weiterer Versuch, die Fußball-Kuh auch bei den Damen zu melken. Problem ist nur, dass das Sammeln nur dann Spaß macht, wenn viele sammeln, weil sonst das Tauschen, das den eigentlichen Reiz ausmacht, nicht richtig funktioniert.

In meinen Augen ist genau dieser Hype schuld an dem, was die deutschen Mädels eben nicht leisten konnten. Sie sind unter diesem Druck förmlich zusammengebrochen, da sie genau diesen öffentlichen Druck nicht kennen. Plötzlich meint halb Deutschland mitreden zu können, weil Birgit Prinz doch in die Startelf gehört und Silvia Neid eigentlich nur eine dumme Kuh ist. Da wird Birgit Prinz mit Michael Ballack verglichen, dabei könnten die wenigsten eine Alternative zu Birgit Prinz nennen, wenn es um die Aufstellung geht. Ich übrigens auch nicht. Aber, wir waren angeblich plötzlich alle wieder Deutschland. Weil die WM hier stattfand stattfindet. In den anderen Ländern findet die Frauen-WM kaum Beachtung und fristet das Nischendasein, das der Frauen-Fußball auch bei uns ab nächster Woche wieder fristen wird. Das Endspiel im DFB-Pokal ist interessant, weil die wohl besten Mannschaften – Schon wieder dieses Wort! – gegeneinander antreten, die Liga ist aber nicht sonderlich stark, daher sind 40.000 Zuschauer bei einem Spiel auch etwas Außergewöhnliches. Ich mag den Frauen-Fußball nicht miesmachen, aber mich hat dieser Hype gestört, der den Mädels wahrscheinlich jede Lockerheit geraubt hat, die sie vor vier und vor acht noch ausgezeichnet hat. Schade drum, schade für die Mädels, die jetzt ohne Titel dastehen und die, die wirklich mitgefiebert haben, für alle anderen ist ein Event vorzeitig beendet worden, das gefühlt an 2010 anknüpfen wollte und uns 2012 bei der EM wieder blüht, wenn nach einem stinknormalen Vorrundenspiel die Autokorsos starten und Sanderstraßen aus allen Nähten platzen, weil wir wieder Deutschland sind und ausflippen müssen, weil sich das offenbar so gehört. Dumm nur, dass das jetzt nicht so geklappt hat. Man hätte so viel Geld verdienen können.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

4 Kommentare

  1. Ausnahmsweise ein Artikel über Fußball von Dir, dem ich überwiegend zustimme.

    Allerdings finde ich nicht, dass an Kritik an den Spielerinnen gespart wurde. Sie haben nicht besonders gut, gehemmt gespielt, waren aber dennoch fast über die gesamte Spielzeit überlegen. Sie haben den Ball halt nur nicht auf das Tor bekommen.

    Was ich nicht verstehe ist, dass Bartusiak die Schuld am Gegentor bekommt und Angerer (hätte nur stehen bleiben müssen) und Goeßling frei gesprochen wurden. Schließlich stand Bartusiak nur deswegen „falsch“, weil sie wegen eines Stellungsfehlers Goeßlings aus der Kette treten und das Loch vor der Abwehr stopfen musste. Krahn hätte die Situation erkennen können und hätte der Stürmerin noch folgen können, hat diese aber an den leeren Raum neben sich übergeben.

  2. Darüber hinaus finde ich nicht, dass die Frauen-WM zu unrecht „gehypt“ wurde. Ich habe beobachtet, wie Fußball gerade bei Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren enorm an Beliebtheit gewinnt und sehe da ein riesiges Wachstumspotential.

  3. Was mich außerdem stört, ist die Fixierung auf die angeblich schwache Leistung der Deutschen. Ich finde, dass die außerordentlich gute Leistung der Japanerinnen viel zu wenig gewürdigt wird. Wie die gegen die überlegenen Angreifer verteidigt haben und der deutschen Frauschaft das Leben schwer gemacht haben, war schon großer Sport!

    Und der Traumpass zum 1:0 war sensationell!!

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