Die böse FDP und die Schlecker-Frauen

Mittlerweile ist es ja so einfach und fast schon plump, auf die FDP einzudreschen und die FDP für das zu kritisieren, was sie macht. Manche geilen sich an deren Niedergang auch auf, als hätten sie davon einen persönlichen Nutzen. Wenn sie aber etwas macht, was ihrer tiefsten Überzeugung entspricht und zudem auch noch völlig richtig erscheint, ist dieses polemische und auch populistische Einprügeln einfach ungerecht und entbehrt jeglicher Grundlage. Und wenn die Partei schon ums Überleben kämpft, wieso soll sie dann in dieser großen Not auch noch ihre Überzeugungen über Bord werfen? Wären sie dann nicht erst recht unglaubwürdig und letztlich überflüssig, wie manche gar meinen? Jetzt haben sie Rückgrat bewiesen und es soll wieder nicht recht sein. Und dieses Mal ging es nicht nur um Joachim Gauck und dessen Nominierung, hier ging es um eine sogenannte Transfergesellschaft für das insolvente Schlecker-Unternehmen, die die „Schlecker-Frauen“ vorerst vor dem Gang zum Arbeitsamt bewahrt hätte. Vorerst, wohlgemerkt. Und dann? Ich finde es ein bisschen viel Sozialromantik, dass der Staat mit Steuergeldern in die Bresche springt, um ein kaputtes Unternehmen noch ein bisschen durchzuschleppen, ehe dann doch die Pleite und der Gang zum Arbeitsamt unvermeidbar sind. Das Ende ist dann das gleiche, den Unterschied machen ein paar Monate, die Millionen Steuergelder kosten und den Betroffenen auch nicht wirklich weiterhelfen. Ob eine solche Investition lohnt, wage ich zu bezweifeln. Und wenn die gut 70 Millionen Euro mit den Milliarden für den Rettungsschirm aufgerechnet werden, sind wir wieder bei den Äpfeln und Birnen. Es mutet fast unverschämt an, der FDP vorzuwerfen, auf dem Rücken der „Schlecker-Frauen“ die eigene Haut retten zu wollen. Es kann nicht sein, dass der Steuersäckel zur Melkkuh wird, wenn Unternehmer ihren Betrieb an die Wand gefahren haben. Wenn der mittelständische Betrieb Insolvenz anmelden und 100 Menschen in die Arbeitslosigkeit schicken muss, wird er ein müdes Lächeln und ein wenig Mitleid bekommen, wenn er nach staatlichen Hilfen ruft. Hat jemand nach den Beschäftigten von Müller-Brot mit über 1000 Beschäftigten gefragt? Wieso soll nun ausgerechnet Schlecker Hilfen bekommen, wo sich die Drogerieketten sowieso schon gegenseitig das Leben schwermachen? In Grombühl gab es lange zwei Schlecker-Filialen, die keine 100 Meter auseinander lagen? War das wirtschaftlich? Selbst als ahnungsloser Laie konnte ich mir das nicht vorstellen, wenn ich wieder einmal der einzige Kunde war.

Ich fand – und ich bin kein Fan der FDP – das Verhalten der FDP aufrichtig und richtig, auch wenn dies sicherlich nicht so populär war wie das Vorgehen von Kurt Beck oder Winfried Kretschmann. Kretschmann wollte sogar ganz großzügig gleich für Sachsen und Niedersachsen mitbürgen. Opel hat vor gar nicht so langer Zeit auch keine staatlichen Hilfen bekommen, das sollte man nicht vergessen, und damals waren weit mehr Arbeitsplätze bedroht. Überhaupt ist es derzeit doch erstaunlich, wie viele sich noch immer auf dem Rücken der FDP profilieren müssen. Und wer die Piraten für die bessere liberale Partei hält, hätte Herrn Nerz und Herrn Lauer letzte Woche mal bei ihren peinlichen Talkshow-Auftritten (Nerz bei Beckmann, Lauer bei Illner) erleben müssen.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

4 Kommentare

  1. Schön geschrieben und vollkommen auf den Punkt!

    Bei Opel hätte ich Staatshilfen damals noch eher verstanden. Immerhin geht/ging es damals ja nicht nur um Opel selber sondern auch um diverse Zulieferer plus deren Zulieferer. Das hätte schon gewaltig ins Kontor geschlagen. Dazu kommt, dass Opel vom Mutterkonzern GM ja geradezu kaputtgemobbt wird.

    Schlecker hat man mit allen Mitteln der Kunst betriebswirtschalftlich an die Wand gefahren. Ich seh das genauso skeptisch wie du, ob man alle paar Meter eine Schleckerfiliale braucht (In der Sanderau, in der Sanderstraße, am Marktplatz…), die dazu noch irgendwie immer einen latenten Schmuddelcharme versprühen, dass ich da zumindest schon vorher immer gern einen Bogen drum gemacht habe.

    Wer jetzt mit den Banken und die Griechen daherkommt, der sollte mal überlegen welche Auswirkung die Destabilisierung einer ganzen Währung zur Folge hat und welche der Wegfall von Schlecker.

  2. Ich bin da schon deshalb nicht mehr rein, weil es immer wieder durch die Medien ging, wie schlecht Schlecker mit den Angestellten umgeht. Das hätte sich nach einer Rettung sicher nicht verbessert und aus Mitleid kaufe ich auch nicht bei Schlecker. Rossmann hat keinen Schmuddelcharme, Müller nicht, dm nicht und auch ihrPlatz, das zu Schlecker gehört, war einladender.

    Danke für deinen ausführlichen Kommentar.

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