Selig sind die geistig Armen…

Kurt Tucholsky hat 1919 geschrieben, „Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.“, und die Leitfrage „Was darf die Satire?“ mit „Alles.“ kurz und bündig beantwortet. Dass Satire damals nicht nur intelligent war, sondern bissig und in höchstem Maße provozierend, steht außer Frage, Ludwig Thoma und seine Mitstreiter beim „Simplicissimus“ haben immer wieder für Furore gesorgt, auf hohem Niveau, in Wort und Bild. Wenn Tucholsky heute bemüht wird, er wird sich meistens im Grabe herumdrehen, nein, er rotiert, weil er mit seinem Zitat immer wieder für grenzdebilen Schwachsinn herhalten muss, der sich „Satire“ nennt, um wiederum alles zu dürfen. Fäkalhumor auf unterstem Niveau heißt jetzt „Satire“, und weil der Papst beleidigt wird, finden das natürlich eine Menge Leute auch lustig. Für RTL-Furzhumor-Abgestumpfte ist das natürlich ein Brüller, weil „undicht“ und „Papst“ und „alter Mann“ macht es natürlich umso witziger, Benedikt XVI. vollgepieselt und vollgekackt abzubilden, um einen Skandal zu provozieren und diesen zu Marketingzwecken auszuschlachten. Durch die Einstweilige Verfügung und dem damit verbundenen Verkaufsverbot hat „Titanic“ erst richtig Aufmerksamkeit bekommen und plötzlich wollten ganz viele das Heftchen haben. Es ist ja lustig. „Titanic“ hat geklagt und zum Prozessbeginn – ganz lustig – einen Mittelaltermarkt organisiert, mit Pranger und symbolischer Hexenverbrennung. Das ist so plump und billig, dass auch wirkliche Satiriker mit Tucholksy rotieren dürften. Wo ist denn die Grenze zwischen plattem Mist und schlechter Satire? Leider ist es auch bezeichnend, wie viele auf diese Form von Schmähkritik an der katholischen Kirche anspringen, meist sind es die, die damit am allerwenigsten zu tun haben und lediglich munter ihre Vorurteile pflegen wollen. Mittelalter, Inquisition, Kreuzzüge, veraltete Moralvorstellungen, das übliche Gemenge an oberflächlichen Assoziationen eben. Wie dumm das Ganze ist, zeigt doch allein die Tatsache, dass sich die „Titanic“-Trottel am Hamburger Michel festketten, um gegen die katholische Kirche zu demonstrieren. Der Hamburger Michel  aber ist eine evangelische Kirche, aber was interessiert das den Durchschnitts-Kurzzeit-Fan von „Titanic“, der Papst wird doch beleidigt und Kirche ist Kirche.

Jetzt hat der Klügere nachgegeben, der Vatikan hat den Antrag auf Einstweilige Verfügung zurückgezogen, die „Titanic“-Klage hat sich erübrigt, der Prozess fällt aus, wo man sich zum „Märtyrer“ stilisieren wollte. Dass sich diese Trottel jetzt selbst feiern, passt ins Bild, sie fühlen sich als Sieger und haben doch gezeigt, dass sie ganz arm dran sind, weil sie wieder einmal einen miesen Skandal provozieren mussten, um ihre Verkaufszahlen zu steigern. Mit dem Papst als Opfer geht das ja auch ganz einfach, weil sie keine Angst haben müssen, dass ein Mob ihre Räume stürmt und die Verantwortlichen am liebsten aufhängen würde. Ich habe mich im Juli schon gefragt, ob es nicht klüger gewesen wäre, „Titanic“ und das blöde Cover zu ignorieren, um denen nicht die gewollte Aufmerksamkeit und höhere Verkaufszahlen zu bescheren. Das Cover wurde ja erst nach der EV munter weiterverbreitet, weil ja die Pressefreiheit von „der Kirche“ eingeschränkt werden sollte. Auf der einen Seite war es richtig, nicht alles zu dulden und stillschweigend hinzunehmen, andererseits hat die Strategie von „Titanic“ Erfolg gehabt und das nächste beleidigende Cover wird nur eine Frage der Zeit sein. Dass sich der Vatikan jetzt zurückzieht, es wird den Verantwortlichen schlicht zu dumm gewesen sein, sich weiterhin mit diesem Käse zu beschäftigen und denen weiter diese Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Es ist bezeichnend für „Titanic“, dass sie sich feig die Opfer aussuchen, von denen im Zweifel die wenigste Gegenwehr, aber die höchste Aufmerksamkeit zu erwarten ist. Armes Deutschland, wenn das deine heutige „Satire“ ist.

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Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“