Bildungspolitischer Schwachsinn: Die Abschaffung der Ehrenrunde

Was sich rot-grüne Bildungspolitiker immer wieder einfallen lassen, um in ihrem Sinne die Bildung unserer Kinder zu beeinflussen und zu „verbessern“, wird die Kinder, die vermeintlich gefördert werden sollen, landauf landab früher oder später jede Chance kosten, mit anderen noch mitzuhalten, nachdem ja internationale Vergleiche nach irgendwelchen Standards der letzte Schrei sind. Seit der unsäglichen PISA-Studie wird deutschlandweit nur zu gerne an den Bildungssystemen herumgepfuscht und gerade die Länder, in denen die sprichwörtliche Kacke in Sachen Bildungs sowieso schon am Dampfen ist, meinen, immer noch einen auf draufzusetzen. Auf den Haufen. Sprichwörtlich. In Niedersachsen wollen die rot-grünen Bildungsideologen jetzt das Durchfallen abschaffen, um Kindern wieder eine Hürde auf dem Weg zum Erwachsenwerden aus dem Weg zu schaffen. Von einer Studie fühlen sie sich bestätigt, in Hamburg wird das schon praktiziert und Hamburger Schüler sind ja für ihre tollen Leistungen bekannt. Und in Finnland sei das auch so. Finnland muss ja immer wieder herhalten, wenn bei uns etwas verbessert werden soll. Da wäre es doch toll, wenn bei uns auch die Voraussetzungen so wären wie in Finnland und nicht Äpfel mit Birnen verglichen würden.

Wozu sollen sich Kinder noch anstrengen, nach was sollen sie noch streben, welches Ziel vor Augen haben? Misserfolge haben keine Konsequenzen außer einem Pflicht-Nachhilfeunterricht in den Ferien? Warum sollen sich Lehrer noch hinsetzen und gewissenhaft Arbeiten korrigieren, wenn das Ergebnis einer Arbeit am Ende sowieso keine große Rolle spielt? Da scheint es dann zu reichen, dass sich der Lehrer irgendeine x-beliebige Note ausdenkt, am besten eine, die keine Beschwerden nach sich zieht, und alle sind zufrieden.

Wozu sollen noch Leistungserhebungen durchgeführt werden? Da kann man doch Noten gleich ganz abschaffen, auch das favorisieren ja einige dieser Weltverbesserer, weil man ja Kinder nicht einfach benoten kann. Das schade ja der jungen Psyche, will mancher in Erfahrung gebracht haben. Eine Studie findet sich da mit Sicherheit, zur Not reicht sicher auch die Hauptseminararbeit im Kuschelpädagogikseminar.

Am besten wäre es doch gleich, wenn jedes in Niedersachsen geborene Kind neben der Geburtsurkunde ein Abiturzeugnis überreicht bekommt. Nach der Zwangseinweisung in die Kita – schließlich scheint nur dort eine einwandfreie Entwicklung des Kindes garantiert – sind Grundschule und Gesamtschule (in Bayern soll diese neue Schulform „Gemeinschaftsschule“ heißen, wenn es nach der SPD geht) nur Verwahrstätten der Kinder, während die Eltern arbeiten. Das Abitur haben sie ja schon in der Tasche, die Eltern können also bei der Geburt schon Anspruch auf den natürlich kostenlosen Studienplatz anmelden.

Mal im Ernst und ohne Polemik: Was versprechen sich diese Leute von solchen Vorstößen, die ja laut rot-grünem Koalitionsvertrag in die Tat umgesetzt werden sollen? Wann soll ein Kind oder ein Jugendlicher merken, dass es vielleicht doch nicht ausreicht? Nach der neunten Klasse? Kurz vor der Abiturprüfung? Oder etwa an der Uni? Sollen die Dozenten an den Hochschulen dann in Zukunft entscheiden, wer an der Uni etwas zu suchen hat und wer nicht? Oder schafft man Abschlussprüfungen in Zukunft auch mit 5 oder 6? Es können den Kindern und Jugendlichen doch nicht bis zur Volljährigkeit alle nur erdenklichen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, damit der Kuschel-Wohlfühlfaktor im rot-grünen Wolkenkuckucksheim möglichst hoch bleibt. In Hamburg dürfen Jugendliche jetzt auch mit 16 Jahren wählen dürfen, fertig ist der Wähler, der die Mehrheit sichert. Wenn die Möglichkeit, eine Ehrenrunde drehen zu müssen, wegfiele, warum sollte sich ein Schüler bei schlechten Leistungen auf den Hosenboden setzen und sich anstrengen, wenn dieses Verhalten ohne Konsequenz bleibt. Ein Förderprogramm in den Sommerferien? Auch schlechte Schüler brauchen Zeit zur Erholung. Und wie oft habe ich es jetzt schon in meiner Zeit als Lehrer erlebt, dass gefährdete Schüler plötzlich eifriger gearbeitet haben, weil sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben wollen. Das Argument, Durchfaller würden ausgegrenzt und stigmatisiert, ist doch nur wieder eines dieser Kuschelpädagogenargumente, weil diese glauben, sie würden noch den faulsten Stinker zum Lernen motivieren können. Womit wollen sie motivieren? Wenn klar ist, dass die Faulheit keine Konsequenzen hat, gibt es keinen Grund, plötzlich fleißig zu sein. Wiederholt ein Schüler, so bietet sich in diesem Jahr die Chance, den nicht oder nur unzureichend erlernten Stoff nachzuholen und Wissenslücken zu schließen. Wann soll ein Nicht-Wiederholer das Wissen aufholen? Schließlich baut der Unterrichtsstoff jeder Jahrgangsstufe auf der vorherigen auf.

Natürlich musste Christian Ude als Spitzenkandidat der Bayern-SPD gleich dankbar auf den niedersächsischen Zug aufspringen und hat ebenfalls eine Abschaffung des Durchfallens in Aussicht gestellt. Zum Glück muss er dafür erst einmal gewählt werden. Warum sich Ude gleich dem äußeren linken ideologischen Flügel seiner Partei anschließen muss, sei mal dahingestellt. Die Mehrheit beglückt er damit nicht. Der von SPD und Grünen in Niedersachsen eingeschlagene Weg führt doch zwangsläufig dazu, dass die Versagensquoten bei den Abschlussprüfungen steigen, wenn man die derzeitigen Standards beibehielte. Deutschlandweite Standards beim Abi erreicht er damit sicher nicht. Man kann nicht jeden Schüler zu einem möglichst hohen Abschluss fördern. Manche verweigern sich jeder Hilfe, andere verbauen sich auf andere Weise ihre Chancen selbst, zu seinem Glück kann man niemanden zwingen, auch nicht in der heilen Kuschelwelt ohne Hindernisse. Die Pubertät und das individuelle Dasein können auch die rot-grünen Bildungsideologen nicht abschaffen. Da können sie noch so laut nach Gerechtigkeit in der Bildung schreien, irgendwann ist Leistung gefordert und Leistung notwendig. Sollen Arbeitgeber und Unis verzweifeln, weil zwar jede Menge bildungsgerecht geförderte Abiturienten anmarschiert kommen, diese aber nichts draufhaben und sich plötzlich fragen, wieso jemand so etwas Merkwürdiges wie Leistung von ihnen fordert? Wer kein Interesse an Bildung hat, wird auch auf dem Silbertablett servierte mundgerechte Häppchen nicht freudestrahlend annehmen, es kann und muss nicht jeder Abitur machen und studieren, es hat aber jeder generell die Möglichkeit dazu. Und das ist gerecht. Die Angebote sind da, niemand kann aber gezwungen werden, diese anzunehmen. Was wollen also die Bildungsideologen mit ihren abstrusen Ideen? Was wollen sie dadurch besser machen? Da stellt sich überhaupt die Frage, was der leidige Begriff „Bildungsgerechtigkeit“ bedeuten soll: Ist es gerecht, wenn alle gleichermaßen zu einem Abitur geschoben werden sollen, das irgendwann nur noch wenig wert ist, weil es keine echte allgemeine Hochschulreife mehr bescheinigt und die Hochschulen aufstöhnen, weil die Studenten überfordert sind und nichts mehr können? Oder ist es gerechter, wenn jeder nach seinen Begabungen gefördert wird und dann den Schulabschluss macht, für den er sich wirklich qualifiziert hat?

Was mich noch mehr ärgert, sind die Darstellungen in den Medien, vor allem aber in den Zeitungen. Egal, ob Süddeutsche, Mainpost oder Frankenpost, wann immer es um bildungspolitische Themen geht, könnte man meinen, Lehrer würden nur durch die GEW und den BLLV vertreten, weil deren Pressemitteilungen nur zu gerne zitiert werden. Wenn da steht „Lehrer fordern Abschaffung des Durchfallens“ (das stand so kürzlich auf der Titelseite der Frankenpost, als es um Niedersachsen ging), vermittelt das ja geradezu den Eindruck, als wäre das die Meinung eines Großteils der Lehrer, weil Herr Wenzel sich mal wieder geäußert hat. Oder eben die GEW. Es ist aber meistens ganz anders. Dass der Bayerische Philologenverband, wenn überhaupt, nur am Rand zitiert wird, ist ein Unding, da mehr als die Hälfte „der Lehrer“ von diesem Berufsverband vertreten wird und ganz sicher gar nichts von diesem dämlichen Vorstoß hält, das Durchfallen abzuschaffen. Aber die Linie von BLLV und GEW gefällt wohl manchem Redakteur besser.

Im Übrigen habe ich bisher auch keinen Schüler getroffen, der diesen Vorschlag ernsthaft gutgeheißen hat oder gerecht findet.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

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