Mit der Nazikeule gegen ein Konzert

Ich bin kein Fan von Frei.Wild aus Südtirol, ich kannte die bis letztes Jahr nur von T-Shirts einiger Schüler und alten Konzertplakaten in Südtirol, was ich auf Youtube gesehen habe, hat mir vom Stil nicht gefallen, weil ich schnelles Gschrubb nicht sonderlich mag. Allerdings fand ich es unlängst merkwürdig, wie die Band erst für den Echo nominiert wurde, dann aber hektisch von der Nominiertenliste gestrichen und ausgeladen wurde, weil zwei andere, völlig unbekannte Bands gedroht hatten, der Veranstaltung fernzubleiben, da Frei.Wild rechtsextrem seien. Es reichte in der Berichterstattung stets ein Verweis auf das Lied „Südtirol“, um daran festzumachen, dass Frei.Wild nationalistische und rechte Tendenzen zeige. Zeige. Jetzt war „Südtirol“ lange das einzige Lied, das ich von denen gekannt habe, weil ich sehr gerne in Südtirol bin und mir das beim Surfen natürlich schnell aufgefallen ist. Ausgerechnet in dem Lied aber rechtes Gedankengut zu erkennen, ist schon mit viel Ignoranz verbunden. Da aber der Sänger der Band eine Neonazi-Vergangenheit hat, muss an dem Vorwurf etwas dran sein. Er steht dazu und sieht das als großen Fehler, es reicht aber vielen, ihm das einfach nicht abzunehmen, fertig ist die Nazi-Band, mit der keiner etwas zu tun haben will. Ich fand das Einknicken der Echo-Veranstalter etwas merkwürdig, schließlich ist vor einer Nominierung bekannt, welche Musik eine Band spielt, vorher dürfte das also keinem obsolet vorgekommen sein. Mich interessiert der Echo nur so viel wie Curling bei olympischen Winterspielen, deshalb habe ich mir meinen Teil gedacht, da die Argumentation doch sehr oberflächlich blieb und von anderen (Medien) wenig hinterfragt einfach der Vorwurf aufgeschnappt worden, die Band sei rechts.

Vorgestern habe ich nun in der Mainpost gelesen, dass Simone Tolle, unterfränkische Landtagsabgeordnete der Grünen, einen offenen Brief an das Ehepaar Strohofer geschrieben hat, die am Autohof in Geiselwind die Eventarena betreiben und Konzerte veranstalten. In diesem Brief bläst sie ins gleiche Horn wie die aufrechten Mitbewerber beim Echo, sie fordert darin aber die Strohofers auch auf, die Konzerte Ende April zu überdenken (Heißt das etwas anderes, als diese abzusagen?), weil die völkisch-nationalen Texte der Band rechtsextreme Kreise ansprächen. Die Band hetze gegen Andersdenkende, diese Aussage sieht sie ausgerechnet in dem Lied „Südtirol“ bestätigt und zitiert zu diesem Zweck folgenden Vers:

Südtirol, du bist noch nicht verlorn, in der Hölle sollen deine Feinde schmorn.

Aus dem Zusammenhang gerissen wird noch ein weiterer Vers zitiert, ein Extremismusforscher will in diesen Zeilen eine „harte Absage an eine offene, heterogene, moderne Gesellschaft“ erkannt haben, zum Beweis wird dann noch Lied aus der rechtsradikalen Vergangenheit zitiert, um die öffentliche Abkehr der Band und seines Sänger endgültig als unglaubwürdig und rechts abzustempeln.

Ganz toll, Frau Tolle. Wenn Sie sich schon nicht die Mühe machen, selbst über die Band, dieses Lied und seinen Hintergrund nachzudenken, dann stricken Sie daraus nicht auch noch absurde Vorwürfe, die Sie im Zweifel ebenfalls nur aufgeschnappt haben. Auf der Seite der Landtagsfraktion werden Sie als „bekennende Unterfränkin“ bezeichnet und sind offenbar in irgendeiner Weise ebenfalls stolz auf ihre Heimat. Das sind Südtiroler in ganz besonderer Weise, die angesprochenen Feinde sind in solchen Liedern die Faschisten, die nach 1922 alles unternommen haben, um das deutschsprachige Südtirol italienisch zu machen. Die Nachwirkungen dieser Italianisierung durch Ettore Tolomei sind bis heute überall zu sehen und zu spüren. Damals wurden Ortsnamen ins Italienische übersetzt, Tiroler Familiennamen durften nicht mehr geführt werden, Kinder mussten im Kindergarten Italienisch sprechen, selbst deutsche Inschriften auf Grabsteinen wurden verboten, damit das bis 1919 zu Tirol gehörende Südtirol italienisch wird. Fahren Sie mal nach Südtirol, die wenigsten Menschen fühlen sich als Italiener, sie lieben ihr Südtirol und haben sich so über Generationen hinweg ihre besondere Identität bewahrt, die eben auch Frei.Wild in dem von Ihnen zitierten Lied besingt. Dass das rücksichtslose Vorgehen der Faschisten Mussolinis tiefe Spuren bei der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols hinterlassen hat, kann man den Menschen dort nicht verdenken. Oder doch?

Und wenn dann noch ein NPD-Funktionär zitiert wird, um die eigene Argumentation zu stützen, zeigt das endgültig, dass Sie zwar brav alles nachgeplappert haben, sich aber offenbar nicht einmal die Mühe gemacht haben, auf die offizielle Webseite der Band zu schauen. Dort wehrt sich die Band nicht nur vehement gegen den dreisten Versuch der NPD, die Echo-Absage für die eigene Propaganda auszuschlachten, Fans der Band haben auch lautstark gegen diese Vereinnahmung durch die Rechten und die Verunglimpfung als rechte Band demonstriert, da sie selbst ja auch in dieses Milieu geschoben wurden.

Der Sänger steht ganz offen zu seiner rechten Vergangenheit, er bereut sie und die angesprochenen Extremisten sind auf Konzerten unerwünscht oder werden gar nicht erst reingelassen. Wenn Sie sich nur ein bisschen Mühe gemacht hätten, selbst etwas über die Band in Erfahrung zu bringen, ehe Sie die Strohofers mahnend fragen, ob sie sich über die Hintergründe im Klaren seien, wären Sie vielleicht auch auf diese Seite gestoßen, in der sich die Band ebenfalls sehr deutlich von extremistischem Gedankengut distanziert. Ihr Parteifreund Joschka Fischer hat als junger Mann Steine auf Polizisten geworfen, war er deswegen als Außenminister immer noch ein Radikaler? Ich glaube nicht. Ihm hat man verziehen.

Bedauerlicherweise hat auch die Mainpost den offenen Brief als einzige Grundlage ihres Berichts herangezogen, selbst recherchiert wurde nur noch in Geiselwind, wo man Herrn Strohofer befragte. So wird das Gerücht schön weiterverbreitet, ohne dass jemand mal kritisch nachfragt, ob an den Nazi-Vorwürfen wirklich etwas dran ist. Stattdessen wird munter die Nazi-Keule mitgeschwungen. Schlimm. Im neuen Lied „Schlagzeile groß – Hirn zu klein“ nehmen Frei.Wild gegen die Verunglimpfung deutlich Stellung.

Hauptsache, Rapper bekommen für ihr schwulen- und  frauenfeindliches Gegrunze Integrationspreise.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

4 Kommentare

  1. tl;dr 😉
    Beim Echo wird erstmal nicht klassisch nominiert sondern es geht automatisch nach Verkaufszahlen. Da ist nix mit Jury. So unbekannt ist Mia übrigens nicht (immerhin müssen sie für die „nominierung“ vergleichbare Verkaufszahlen haben) und auch ‚unbekannte‘ Bands wie Ärzte und Hosen haben sich da durchaus kritisch geäußert.
    Also hast du auch teilweise schlecht recherchiert 😉

Kommentare sind geschlossen.