Viel Show, wenig Info

An dieser Stelle muss ich mal einen Blogbeitrag schreiben, der nichts mit Würzburg, nichts mit Fußball und auch nichts mit Politik zu tun hat. Ich mache derzeit mit meiner Freundin Urlaub in Schönau am Königsee und weil das Wetter heute schlecht war, haben wir unseren sowieso geplanten Besuch im Salzbergwerk Berchtesgaden auf heute verlegt. Mit dem gestern gebuchten Online-Ticket mussten wir nicht lange warten, der Barcodeleser am Drehkreuz hat sofort das Online-Ticket auf dem Handy erfasst, schon waren wir drin, vorbei an der nicht sehr kurzen Warteschlange.

Drinnen war ich aber gleich ein bisschen enttäuscht, dass es im neu gestalteten Umkleidebereich nicht mehr die klassische Zunftkleidung der Berchtesgadener Bergleute inklusive „Arschleder“ gab, stattdessen durften wir moderne Overalls mit Leuchtstreifen anziehen. Naja, nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt notwendig, habe ich mir gedacht, während wir auf dem Zug sitzend zum ersten Mal fotografiert wurden. Schließlich mussten wir ja Bildmaterial zu liefern, das wie an Freizeitpark-Achterbahnen anschließend gekauft werden kann. Nach der wie immer aufregenden Einfahrt unter Tage kamen wir an den Rutschen an, wo erst einmal eine Lasershow auf uns wartete. Optisch beeindruckend wurde hier gezeigt, wie der gesamte Stollen unter der 3000qm großen Freidecke einst geflutet wurde, ehe sich das Wasser senkte und Salz abgelagert wurde. So weit, so gut, optisch bedruckend, was aber fehlte, waren an dieser Stelle sinnvolle Informationen. Viel Show, wenig dahinter. Schade. Da helfen auch keine laserprojizierten Salzkristalle. Auf den Rutschen wurden wir dann ein zweites Mal fotografiert, was folgte war eine mehr als enttäuschende Führung durch den Stollen. Obwohl, vielversprechend fing die Führung noch an: An einem dreidimensionalen Modell des Bergwerks wurde sehr gut erklärt, welchen Weg wir bereits zurückgelegt hatten, welchen wir noch vor uns haben und wo vor allem auch heute noch das Salz abgebaut wird, das als „Bad Reichenhaller“ verkauft wird.

Ein Film veranschaulichte die Vorgehensweise beim Salzabbau, Leuchtpunkte markierten die gezeigten Vorgänge im besagten Modell. In der König Ludwig II. zu Ehren errichteten Salzgrotte hatte die Führung durch einen jungen Bergmann den Charme der früheren Führungen, mit witzigen Anekdoten und Sprüchen angereichert erklärte er den kleinen Raum mit der 50kg schweren Salzlampe an der Decke. Was dann aber folgte, war sehr dürftig, dazu konnte der junge Mann aber gar nichts: An einigen Schautafeln konnten wir nur im Vorbeilaufen die Überschriften erhaschen, ein Stehenbleiben war gar nicht möglich, weil wir regelrecht durch das Bergwerk gehetzt wurden. Am Blindschacht standen wir noch recht weit vorne und konnten die Erklärungen gut nachvollziehen, schon bei der Geschichte des täglichen Vorankommens haben wir kaum etwas mitbekommen. Die ersten beiden Bilder waren nur kurz beleuchtet (sie veranschaulichten den täglichen Fortschritt von anfangs 6cm mit purer Handarbeit, später von 2m mit Sprengladungen), die große blaue Fräsmaschine (6m täglich) war ebenfalls nur kurz blau, dann war es wieder dunkel und die 50 Mann große Herde wurde weitergetrieben. In einer größeren Halle gab es dann Touchscreens und verschiedene Salzkristalle, hier „durften“ wir uns einige Minuten aufhalten und „informieren“, ehe wir mit dem Hinweis darauf, dass wir uns alles auch mit dem Barcode auf unserem Ticket online anschauen und runterladen könnten, wieder weiterliefen. Noch schnell die Reichenbach-Solepumpe angeschaut, dann durften wir nochmals – umrahmt von Lichteffekten – rutschen, um den an sich tollen Spiegelsee zu erreichen. Was früher eine kurze, aber eindrucksvolle Überfahrt mit dem Holzfloß auf dem unterirdischen Salzsee war, ist nun eine dümmliche LED-Lichtershow in totaler Finsternis. Einst erzählte der Berkwerksführer während der Überfahrt Interessantes über den See und machte Witze mit den englischsprachigen Gästen (Look in the water, there is a fish. It’s a salt hering.), heute wummert Musik zu unnötigen Lichteffekten. Während des Wartens auf die Ausfahrt haben wir dann mit die interessanteste Info bekommen, der Führer beantwortete nämlich die Frage, wie man vor knapp 500 Jahren überhaupt darauf gekommen ist, weit unter Tage Salz abzubauen. Dann kam schon der Zug und nach dem Umziehen warteten der Bilderverkauf und der Salzladen.

Wirklich schade, was aus der einst so großartigen Führung geworden ist. Wie so oft heutzutage wird oberflächlich auf Show und tolle Fassade gesetzt, Informationen und Genauigkeit bleiben auf der Strecke. Hauptsache, die Kasse stimmt. 15,50€ pro Person (+3,50 Parkgebühr) sind ein gesalzener Preis für das, was man heute eben nicht mehr geboten bekommt. Was in Politik und Wirtschaft blumige und markige Wortneuschöpfungen sind, die viel Lärm um nichts machen, sind im Kleinen halt ein Glaspalast anstatt des historischen Gebäudekomplexes und eine Pseudo-Interaktivität, wo Facebook-Seite, QR-Codes, Barcodes, Touchscreens und Lichtshows Modernität vermitteln und die 500 Jahre alte Tradition in den Hintergrund rücken lassen. Und das, wo man doch gerade auf diese Tradition so großen Wert legt.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“