Ein Interview, das nachdenklich stimmt

Was hätte Sebastian Deisler für eine großartige Karriere vor sich haben können. Ein begnadeter Fußballer, ein Talent, das es in Deutschland lange nicht gegeben hatte. Genau das wurde ihm letztlich zum Verhängnis. Nach der WM 1998 lag der Fußball am Boden, es folgte die katastrophale EM 2000 mit dem bitteren Vorrundenaus. Zur gleichen Zeit wuchs in Gladbach der junge Sebastian Deisler heran, der dann, nach seinem Wechsel zu Hertha BSC Berlin, zum neuen Heilsbringer des deutschen Fußball ausgerufen wurde. Ein 19-jähriger Fußballer sollte plötzlich die Wende herbeiführen, es folgten aber viele Verletzungen, der Druck, ständig spielen zu müssen und dann noch der etwas unglückliche Wechsel zum FC Bayern, der von der BILD aufgedeckt wurde und Deisler zum Verräter stempelte. Schwere Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück, auch beim FC Bayern folgte auf ein hoffnungsvolles Hoch schnell der Rückschlag, am Ende spielten weder Körper noch Geist weiter mit, er wurde wegen schwerer Depressionen behandelt, ein Strudel, in den er über Jahre immer tiefer hineingezogen wurde. Im Januar hat er seine Karriere mit nur 27 Jahren beendet.

Kürzlich hat er dem Magazin 11Freunde dieses Interview gegeben, ein Interview, das wirklich sehr nachdenklich stimmt. Der Medienhype um junge Spieler, so wie es ihm nach dem Wechsel zu Berlin ergangen ist. Was der öffentliche Druck, das Interesse an jedem Pups und alle die Hoffnungen bei einem jungen Mann auslösen können, Deisler gibt im Interview einen kleinen Einblick. Plötzlich ist das Privatleben keines mehr, läuft es nicht, wird der Heilsbringer schnell zum Sündenbock, bei den Medien, bei den Fans.

Fernab vom Medienrummel möchte er sich nun etwas Neues aufbauen. Er war ein großer Spieler, auch wenn er das zu selten zeigen durfte. Ich habe ihn mehrmals live gesehen und es war fast jedes Mal ein Genuss, ihm beim Fußballspielen zuzusehen. Er ist an seinen Wertevorstellungen gescheitert. Warum? Weil der Medien-Fußball dafür keinen Platz mehr lässt: Der schnelle Erfolg, egal mit welchen Mitteln, ist höher angesehen als die solide Arbeit und echte Werte. Schade, dass solche Typen heute rar gesät sind oder im Fußball keinen Platz mehr finden, so wie Deisler.

Siehe auch Fritten, Fußball & Bier.

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Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

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