TV-Kritiker Marcel Reich-Ranicki

Viel Lärm um Nichts war es, um mit Shakespeare zu beginnen. Mit der Ablehnung seines Ehrenpreises hat Marcel Reich-Ranicki eine unsägliche Niveau-Debatte losgetreten, in die andere gerne eingestimmt haben, Frau Heidenreich meinte gleich, der Fernsehpreis sei „hirnlose Scheiße“ und lederte ordentlich gegen ihren Haussender, das ZDF, los. Zum Dank Zu Recht steht sie jetzt wohl vor dem Aus.

Gestern Abend nun wurde die halbstündige Sondersendung Aus gegebenem Anlass ausgestrahlt, die Thomas Gottschalk Herrn RR aus der Situation heraus versprochen hatte. Er war mit MRR allein, Sender-Verantwortliche waren nicht anwesend, das hätte wohl auch den Rahmen gesprengt. Auf jeden Fall durfte Reich-Ranicki losledern und dort weitermachen, wo er am letzten Samstag aufgehört hatte. Alles sei abscheulich, gänzlich unerträglich, er habe Clowns gesehen, Nichtskönner und Ahnungslose. Den Namen eines dieser Clowns kenne er, Helge Schneider. Der war zwar nicht da und Gottschalk verbesserte ihn, er meine wohl Atze Schröder, aber das änderte nichts an der Pauschalkritik des kratzigen alten Mannes. Er beschwerte sich über alles und jeden, aber vielleicht ist das ja auch gut so, dass das Fernsehen nicht einen 88-jährigen bestens unterhält, sondern beispielsweise 30-jährige wie mich. Meine Oma schimpft auch über den Mist im Fernsehen, das Wenigste kennt sie aber, weil es sie schlicht und einfach nicht interessiert. Wenn MRR für das Programm eines Senders verantwortlich wäre, hätte dieses vielleicht das Prädikat „Besonders wertvoll“ verdient, aber er wäre wahrscheinlich auch sein einziger Zuschauer.

Ich möchte mich am Abend auch mal nur berieseln lassen und nicht noch hochgeistige Sachen vorgesetzt bekommen, weil ein höchst gebildetet Herr meint, alle müssten wie eher Hochanspruchsvolles sehen. Vieles liegt sicherlich im Argen, wie sonst ist es zu erklären, dass Gerichtsshows, fiktive Ermittlerdokus und billigst abgedrehte Soaps tagtäglich gute Quoten haben und Shows wie das Dschungelcamp regelrechte Straßenfeger sind. Es gibt jede Menge Schwachsinn, keine Frage, aber das pauschale Urteil von Herrn RR zeigt doch auch, dass er auch nicht mehr zur Kern-Zielgruppe des Fernsehens gehört. Fernsehen soll und will informieren, aber auch unterhalten, da lobe ich mir dann auch Sendungen wie Die Kochprofis, Rach, der Restauranttester und Raus aus den Schulden. Die Öffentlichen, die MRR ebenso gegeißelt hat, liefern auch jede Menge Sendungen, die nicht Unterhaltung, sondern Information liefern und das in höchster Qualität. Dass dazwischen auch Rosamunde Pilcher herumspukt, muss auch Reich-Ranicki akzeptieren, es kann nicht jeder so hochgebildet sein wie er.

Die Sendung gestern war ein Paradebeispiel, wie zwei Menschen aneinander vorbeireden können. MRR schwadronierte über das böse Fernsehen mit all seinen Verfehlungen (oder war es doch nur die Verleihung des Fernsehpreises selbst, die MRR so in Rage versetzte?), Thomas Gottschalk gab den Schutzpatron der Öffentlichen, etwas Handfestes kam dabei auch nicht raus. Wir wissen jetzt aber, dass sich die Sender mehr Mühe geben müssen, dass sich nichts ändern wird, dass der fündig wird, der Anspruchsvolles sucht und dass MRR nicht fernsieht. Aber er schimpft und bekommt eine Sondersendung. Und die Kritiker in den Feuilletons sollen sich nicht aufblähen, als hätten sie es immer gewusst.

Was Gottschalk zur Qualitätsdebatte meint, hat er dem Spiegel verraten.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

2 Kommentare

  1. Schade nur, dass die geistreichen Sendungen in den ÖR weitestgehend erst nach 22 Uhr laufen. Und da geht der arbeitende Durchschnittsmensch wohl eher ins Bett, als den Fernseher einzuschalten…

Kommentare sind geschlossen.