Protestpartei #2030405 – Piratenpartei

Ernst nehmen kann man diese „Partei“ meines Erachtens nicht. Hysterisch wird von Zensur und Zensursula geschrieben und ein Überwachungshorrorszenario gezeichnet, weil mit der Sperre von kinderpornographischen Seiten die gesetzlichen Grundlagen für weitere Netzzensur gelegt würde und das Internet mehr und mehr seiner Freiheiten beraubt werde. Das Internet ist trotz der Unfassbarkeit kein rechtsfreier Raum. Und selbst wenn ganz eifrige Politiker gleich nach einer Weiternutzung rufen und Spiele auch gleich sperren lassen wollen, gerade weil wir in einer Demokratie leben, dürfte es nicht so einfach sein, mal eben was zu sperren, weil wieder ein Amoklauf passiert ist. Da die Meinungsfreiheit im Grundgesetz verankert ist, werden auch entgegen aller Befürchtungen keine politischen Meinungen, so abstrus sie auch sein mögen, zensiert. Sollten sie verfassungsfeinlich sein, gibt es da andere Wege.

Manche Ziele kann ich nachvollziehen, dafür brauche ich aber keine neue Partei, andere Ziele halte ich für reichlich naiv und ziemlich weltfremd, wenn Patentrechte auf Software abgelehnt werden, weil dadurch ohne Not die gemeinsame Güter (?) privatisiert würden. Heißt das im Klartext, Software-Unternehmen sollen entwickeln, neue Software auf den Markt werfen und dann macht ein anderer die Software nach, entdeckt noch eine kleine Verbesserungsmöglichkeit und verkauft dann erfolgreicher, ohne die Entwicklungsarbeit geleistet zu haben? Passend dazu die rhetorische Frage der Piraten: Wollen hier einzelne Personen maximalen Profit aus ihrer Arbeit „herausschlagen“? Keine Frage, das wollen die doch tatsächlich, sie haben die Arbeit schließlich geleistet und/oder bezahlt! Eine merkwürdige Auffassung. Es ist nun mal nicht so, dass alles allen gehört, das funktioniert nicht und wird nie funktionieren.

Gleiches gilt für die merkwürdige Forderung nach einer Lockerung des Urheberrechts. Demnach soll jeder munter für den privaten Bereich kopieren können, was das Zeug hält. Begründung: Es lässt sich sich sowieso kaum unterbinden. Kopierschutzsysteme bei Musik und Software sorgen laut der Piratenpartei für eine Verknappung der Verfügbarkeit. Und wer bezahlt dann die Entwicklung neuer Spiele, wenn sich einer ein Spiel kauft und 1000 davon eine Privatkopie von der Privatkopie von der Privatkopie machen? Musiker verschenken dann am besten in Zukunft ihre Lieder und zeigen, dass ihnen die Musik allein am Herzen liegt, nicht das Geld. Und statt neuer Spiele auf der PS3 oder anderen Plattformen kopieren wir wieder mit XCopy unsere Amiga-Spiele und spielen die, weil es neue Spiele dann nicht mehr gibt.

Eine berechtigte Forderung ist zwar die nach mehr Transparenz hinsichtlich der Nutzung der angesammelten Daten, wenn aber die Piratenpartei nach mehr Privatsphäre in einer Demokratie schreit, wieso twittern dann so viele potenzielle Wähler dieser „Partei“  jeden Pups, die Konsistenz ihres letztes Stuhlgangs und das heruntergefallene Marmeladenbrot, das – welch Überraschung – auf der Marmeladenseite gelandet ist, sind in allen Netzwerken vertreten und leben quasi öffentlich im Internet, dessen Grenzenlosigkeit angeblich so toll ist?

In Würzburg hat sich jetzt auch ein Bezirksverband gegründet. Da ist Familienministerin Ursula von der Leyen gleich eine versteckte Diktatorin, weil die ganz böse zensieren will. Ich frage mich da auch: Wenn der Vorsitzende Software-Entwickler ist, wie verdient er auf Dauer sein Geld, wenn dann sein Nachbar mit dem gleichen Produkt Geld verdienen könnte?

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

12 Kommentare

  1. Eine sehr einseitige Darstellung. Schade, das der Author des Artikels sich nicht tiefer und ernsthaft mit den Themen der Piratenpartei befasst hat bevor einen negativen Artikel über die Partei verfasst, die sich derzeit als einzige uneingeschränkt für Bürgerrechte einsetzt und sehr großen zuspruch in der jungen Generation findet.

  2. Mir kommen die Tränen. Die einzige Partei, die uneingeschränkt für Bürgerrechte eintritt. Und warum finden so viele in der jungen Generation die Partei gut: Weil geistiges Eigentum bei den Runterladern nicht viel zählt.

  3. Ausnahmsweise mal Zustimmung für den Bayern-Depp!
    Bezeichnend, dass sich die Piraten nach einem Tauschportal benannt haben, dessen Beitreiber mal endlich im Knast gelandet sind. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder für sich kopieren kann, wie er gerade lustig ist? Mir kommt das naiv und weltfremd vor, wenn diese Spaßvögel glauben, im Netz ist alles frei und alles gehört allen.

  4. Da heule ich vor Rührung gleich eine Runde mit. Danke, dass sich endlich jemand für unsere Bürgerrechte einsetzt.

  5. Folge den Links im Beitrag. Ich brauche keine Bild, um mir meine Meinung zu bilden, ich brauche aber auch keinen Bildblog, um mir tagtäglich sagen zu lassen, wie die Bild arbeitet.

  6. Warum twittern und gleichzeitig den Schutz der Privatsphäre fordern? Ich unterscheide zwischen Informationen, die ich freigeben möchte und welchen, die ich für mich behalten will.
    Deine Kritik gegen dieses Selbstbestimmungsrecht verstehe ich nicht.

    Die „Überwachungsgefahr“ ist ein wichtiger Grund, gegen die Kinderpornosperren zu sein. Schau in die Entwicklung unseres Landes – wenn Du da kein Potential für Missbrauch von Gesetzen siehst, hast Du vielleicht nicht genau hingeschaut.

    Ein viel wichtiger Grund ist aber der Täterschutz, der mit diesem Gesetz installiert wird. Durch die Stoppschilder werden Täter (also die Veröffentlicher der Fotos) frühestmöglich gewarnt. Die wirklichen Konsumenten der Fotos sind dagegen die ersten, die einen Weg finden, die Sperren zu umgehen. Tatsächliche Möglichkeiten zum Löschen werden dagegen nicht ausgeschöpft.
    Was bleibt? Ein Gesetz, das Gefahren mit sich bringt bei gleichzeit keinem praktischen Nutzen. Und das findest Du richtig?
    Warum gibt es dieses Gesetz? Weil Menschen, die das Internet nicht verstehen, glauben, man könnte mit einem DNS-Sperrmechanismus Kinderpornografie aus der Welt schaffen.
    Aber klar: Es hört sich ja auch so einfach und plausibel an.
    Leider ist es aber nicht so.

    Zum Urheberrecht: Ich wünsche mir ein freieres Urheberrecht, das es sowohl ermöglicht, Inhalte frei zu kopieren ALS AUCH die Urheber dafür zu bezahlen. Das eine geht nicht ohne das andere. Die sogenannte Kulturflatrate, welche die Nutzung nach einem ähnlichen Prinzip wie bei der Ermittlung von Fernsehquoten den Künstlern Erlöse zukommen lässt, wäre eine Möglichkeit dazu.
    Aber das ist ja nicht das einzige Problem mit dem Urheberrecht: Auch Künstlern wird er verdammt schwer gemacht, neue Werke zu erstellen, die sich auf bereits vorhandene Werke beziehen. Wer keine Entourage an Anwälten und viel Geld sein eigen nennt, der hat keine Chance.
    Dagegen musst Du Dir vor Augen halten, dass gerade kleine Künstler, Musiker, Schauspieler in der Regel miserabel für ihre Werke bezahlt werden. Bei einer 10 Euro CD landen normalerweise 20 cent beim Musiker. Das ist der gegenwärtige Stand des Urheberrechts und des Monopols von Musikgesellschaften, die natürlich durch eine Liberalisierung des Urheberrechts dieses Monopol verlieren und ein vitales Interesse haben, genau das zu verhindern.

    Und darum wähle ich im Herbst die Piraten. Nicht aus Protest, sondern aus Überzeugung 🙂

  7. Müssen sie auch nicht. Das ist das Schöne: Lobbygruppen müssen nicht im Parlament sitzen, um aktiv werden zu können. Und die Wahlwerbekostenerstattung bekommen sie ja auch bei einer kleineren Prozentzahl. Damit lässt sich die genannte Lobbyarbeit sehr gut finanzieren.

  8. Ohne auf deine größtenteils wenig überzeugenden Argumente eingehen zu wollen (die Piraten haben sicher auch vernünftige Vorschläge – das hat aber sogar die Linke), würde mich doch noch so einiges interessieren, bevor ich die Piratenpartei wählen würde:
    – Welche Maßnahmen hält die P. für angebracht, um möglichst schnell und sozial verträglich aus der Wirtschaftskrise heraus zu kommen?
    – Wie steht sie zum Umweltschutz? Irendwelche Ideen? Sollen wir die Atomkraftwerke abschalten oder neue bauen?
    – Apropos: Wie sieht’s aus mit LKWs für Iran? Glauben wir denen, dass die wirklich nur für friedliche Zwecke genutzt werden oder nicht?
    – Sind wir für oder gegen einen NATO-Beitritt Georgiens? Türkei in die EU?
    – Arbeitslosigleit? Rente? Gesundheitswesen?

    Ich glaube, ich gründe jetzt eine Partei. Wahlprogramm: Party ist ein Grundrecht. Bier darf in Kneipen maximal 2,00€ (0,5L) kosten und Schnaps 1€ (0,02L). Außerdem bin ich für die Legalisierung von weichen Drogen und ein Wirt darf seine Kneipe nicht zusperren, so lange noch mindestens drei Gäste weiter trinken wollen.
    Ich denke, mit dem Programm bekomme ich aus dem Stand die absolute Mehrheit der 18-25jährigen.

  9. Wenn ich Dich richtig verstehe, überzeugen Dich vernünftige Argumente nicht. Hm, dann wird es schwierig. ;D

    Deine Fragen zu Themen, die nicht das Programm der Piraten berühren kann ich Dir leider nicht beantworten. Wenn diese Themen so wichtig für Dich sind, solltest Du die Piraten natürlich nicht wählen, sondern Dir eine der Volksparteien aussuchen – am besten eine, die GENAU Deine Interessen vertritt.
    Mir dagegen sind die genannten Themen zum Urheberrecht, zur digitalen Selbstbestimmung und die damit verbundenen Fragen wichtig genug, um keine Volkspartei zu wählen, sondern eine, die sich genau mit den für mich wichtigen Themen auseinander setzt.

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