Wahlabend-Geblubber

So ein Wahlabend hält immer wieder reichlich absurde Momente parat. Fast legendär, vor vier Jahren wollte Gerhard Schröder mit schwerer Zunge die Kirche im Dorf lassen und seinen Platz nicht räumen. Auch gestern bekleckerten sich die Parteienvertreter nicht immer mit Ruhm, wenn sie vor den Kameras Ergebnisse kommentieren sollten oder mussten, bisweilen war es aber auch das Publikum mit treuen Parteisoldaten, die als Jubeljünger Erfolge bejubelten, die offenbar nur sie selbst kannten. Als kurz nach der ersten Hochrechnung Müntefering und Steinmeier die Bühne betraten, feierten und grölten die SPD-Anhänger, als hätte die SPD die absolute Mehrheit errungen. Peter Ramsauer schwafelte in der „Berliner Runde“ irgendeinen Stuss von Leihstimmen, die von der CSU an die FDP gegangen sind, ganz so, als ob die Wähler beim nächsten Mal wieder ganz brav ihr Kreuz bei der CSU machen, wie es sich für Ramsauer wohl gehört. Auch eine Art, sich unbeliebt zu machen. Wenigstens Horst Seehofer hat nicht um den heißen Brei herumgeredet und das schlechte Abschneiden der CSU ohne Wenn und Aber thematisiert. Nur knapp 10% für die Grünen wurden von Bundesempörungstante Claudia Roth auch schöngeredet, die neue Regierung aber gleich im nächsten Satz dämonisiert, um in den allgemeinen Tenor einzustimmen. Gysi und Lafontaine scheint der Erfolg reichlich zu Kopf gestiegen, sie wollen die Opposition anführen und verhöhnen die SPD, ehe sie wieder ihre sozialistischen Parolen in die Welt schicken. Verloren haben gestern beide Volksparteien, das „Aber“ in den Begründungen fällt aber bei beiden ähnlich affig aus.

Sympathisch war gestern Guido Westerwelle, der das Grinsen nicht aus dem Gesicht bekam. Dafür hat Frank-Walter Steinmeier Angela Merkel in der „Berliner Runde“ angegriffen, wie er es im ganzen Wahlkampf nicht gemacht hat, überraschend schnell hat er gestern den Oppostionsführer gegeben.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

Ein Kommentar

  1. Das mit den Leihstimmen ist doch ganz einfach (v.a. in Bayern): Erststimme CSU, Zweitstimme FDP. Durch die Überhangmandate bekommt die CSU sowieso ihre Sitze, die FDP durch ihren Zweitstimmenanteil. Schon habe ich zwei Stimmen für meine Wunschkonstellation abgegeben. Zum Glück wird dieser Blödsinn 2011 abgeschafft.

    Die Biene Maja hätte natürlich auch sonst gewonnen.

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