Die erste Stange rauchen sie immer sofort

Ich habe mal wieder den Fehler gemacht und bin an einem Wochenende die sieben Kilometer nach Eger gefahren, um mir dort Karlsbader Oblaten zu kaufen. Am späten Samstagnachmittag, so habe ich gehofft, werden nicht ganz so viele unterwegs sein. Ich habe mich getäuscht, und zwar gründlich. Der Heißhunger auf die Oblaten hat ein Warten bis Montag unmöglich gemacht. Offenbar fährt am Wochenende alles, was noch irgendwie gehen und fahren und husten kann, nach Cheb, um direkt hinter der Grenze beim Travel Free, so heißt der Einkaufsmarkt, stangenweise Zigaretten und palettenweise Kaffee zu kaufen. Das und abwechselnd Ritter Sport und Milka sind allerdings die einzigen Produkte, die billiger sind als in Deutschland, andere sind sogar deutlich teurer, z.B. Spirituosen. Nicht ohne Grund stehen hier auf den Supermarkt-Parkplätzen jede Menge Autos aus Tschechien.

Ich habe keine Ahnung, wie viele Stangen man ausführen darf, jedenfalls versorgt sich in Cheb offenbar das gesamte Prekariat mit Zigaretten. Prekariat deshalb, weil das schon ein ganz besonderes Volk ist, das da unterwegs ist. Es ist wirklich anstrengend, zwischen Menschen an der Kasse zu stehen, die entsetzlich nach einer Mischung aus altem Fett, alten und neuem Rauch und Schweiß stinken und Hamsterkäufe machen, als wäre die Mauer gefallen und dies die erste Möglichkeit, im Osten einzukaufen. Dazu wird abgehustet, das einem angst und bange wird und nicht klar ist, ob es das viele Rauchen oder doch die dicke Herbsterkältung ist. Ich habe mich mit meinen Karlsbader Oblaten, meiner Packung Kaffee, zwei Tafeln weißer Milka-Schokolade und einem Sandwich richtig blöd gefühlt, vor allem deshalb, weil ich ewig in der Schlange stehen musste und schon überlegt habe, einfach wieder zu fahren. Dann hätte ich aber auf die Karlsbader Oblaten verzichten müssen, wegen denen ich extra rübergemacht habe.

Ich habe die lange Wartezeit genutzt und Leute beobachtet: An der Nachbarkasse hat ein älteres Ehepaar 48 Packungen Melitta Auslese gekauft, sie hat bezahlt, er genüsslich in der Nase gepopelt. 500g Melitta-Kaffee kosten diese Woche nämlich nur 1,99€. Der Herr mit der starken Duftnote vor mir hat 128€ für Zigaretten und Kaffee ausgegeben und diese Summe in kleinen Scheinen und noch kleineren Münzen bezahlt. Die Kassiererin war beim Einsortieren noch langsamer als der Herr beim Geldzählen. Ich hatte so auch viel Zeit, um den vergebenen Chancen gegen den 1.FC Köln nachzutrauern, ein richtes Scheißspiel. Was man mit geschätzten 30 Tafeln Milka-Schokolade anstellt, wüsste ich nicht, irgendwann wird jede Schokolade schlecht. Als ich aber die Käuferin und ihre Kinder gesehen habe, war mir klar, dass der heutige Einkauf wahrscheinlich nicht bis Allerheiligen reicht. Schlimm, wenn die ganze Familie richtig fett ist. Die Großpackung Hubba-Bubba war wahrscheinlich für zwischendurch. Es gab wirklich keinen Korb, keinen Einkaufswagen, in dem nicht mindestens zwei Stangen Zigaretten lagen. Damit es sich richtig lohnt, wird offenbar vor dem Laden gleich die erste Stange geraucht, so wie der kleine Junge seinen ersten Storck-Riesen noch im Laden verdrückt.

Von den Oblaten mit Schokoladen-Füllung bin ich ziemlich enttäuscht. Die schmecken mir überhaupt nicht.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

5 Kommentare

  1. Da habt ihr ja langsam genügend zusammen, um die erste Grenzgängerparty zu machen, das wäre doch was:)

  2. 1. Wieso 7km? Ich dachte, es sind über 20km von euch nach Cheb (bitte nicht Tschebb sagen)?

    2. Oblaten: Wenn Du dich mal richtig verwöhnen willst (z.B. um 13.30 nach einen harten 6-Stunden-Tag), dann kannst du die Oblaten (oriskové) in die Pfanne legen und kurze Zeit nachbräunen. Mmmh…

  3. Direkt hinter der Grenze steht „Cheb“ auf dem Schild, von daher habe ich mich wohl getäuscht. Ich spreche auch nur noch von „Cheb“, nicht von „Tschebb“, das habe ich von dir ja gelernt.

    Das mit dem Nachbräunen werde ich ausprobieren. Klingt sehr gut.

  4. Deine Oblaten mit Schoko-Füllung schmecken schon, leider aber auch nicht sooo gut, wie ich sie in Erinnerung hatte.

Kommentare sind geschlossen.