Auf die Plätze! Fertig! Empörung!

War das echt? War es wirklich das reflexartige Empörtsein? Mir ist Katrin Müller-Hohensteins Ausspruch „Das ist für Miro Klose doch ein innerer Reichsparteitag, jetzt mal im Ernst, dass der heute hier trifft.“ am Sonntag in der Halbzeitpause des Deutschland-Spiels auch aufgefallen und ich musste erst einmal lachen. Ich kannte die Redewendung nicht. Da ich mit einem waschechten Ossi geschaut habe, hat der mir aber erklärt, dass die Rede vom „inneren Parteitag“ dort gang und gäbe war, wenn es um ein besonderes Ereignis im Leben eines Menschen ging, da der Parteitag in der DDR etwas Außergewöhnliches im Alltagstrott war. Das Präfix „Reichs-“ war ihm neu, so schlimm, wie manche aber getan haben, war es dann doch nicht. Der ersten, unvermeidbaren Empörungsangriffswelle – Huch, ist das etwa Kriegsjargon? – folgte keine richtige zweite mehr, die Skandalisierung ist zum Glück ausgeblieben und auch der hektische Rückblick auf die Fehltritte deutscher Sportmoderatorinnen in der Welt wirkt im Nachhinein noch peinlicher. Interessant, dass genau dort nun ein Kommentator erklären darf, dass das eine harmlose Redewendung ist, die den ganzen Nazi-Pomp sogar persifliert. KMH ist zwar aus Erlangen und ohne Berliner Mutterwitz aufgewachsen, aber das soll uns jetzt mal egal sein. Kein Nazi-Vergleich, kein Skandal, keine Entlassung, nur heiße Luft. Das ZDF und KMH haben sich in der ersten Aufregung erst einmal für die „Entgleisung“ entschuldigt.

Jetzt können wir doch auf die totale – Huch! – Offensive – Puh! – setzen. Und „Stürmer“ ersetzen wir in Zukunft nicht durch „Offensivkraft“.

Nur am Rande: Stefan Niggemeier hat mal aus Archiven zusammengetragen, dass man diese Redewendung bei der Welt offenbar recht gerne benutzt hat und sieht die künstliche Empörung ähnlich.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

10 Kommentare

  1. Den Spruch habe ich selbst auch schon gehört;
    dass Du selber den (oder „du den selber“?) noch nicht kanntest, wundert mich jetzt selbst ein bisschen.
    Nun, am Ende muss doch jeder für sich selbst entscheiden, wann er was sagt.

  2. Ist so ziemlich das erste Mal dass ich Herrn Niggemeyer (den ich sonst hasse wie sonst nichts) recht geben kann.

  3. Ich kannte den Spruch auch nicht und fand ihn urkomisch! Endlich mal etwas überraschendes im ansonsten einförmigen Kommentatoren-Kauderwelsch, der meist ähnlich abwechslungsreich wie die verhassten Vuvuzelas ist.

    Schade, dass sich das zdf gerade dafür entschuldigt hat und nicht für die restlichen Stunden zähen Fußballgeschwurbels.

  4. viel besser finde ich hier die heutige (17.6.2010; 8:10h) miese Anspielung auf das Deutschlandlied auf Spiegel online.
    Dort sind D und Fr (Merkel und Sarko) und die Überschrift lautet dumm: „Sparen, sparen über alles“.
    Echt peinlich.

  5. hm, hab grad geschaut, wurde inzwischen geändert..
    Jetzt ist man zurück gerudert und es lautet „Sparen, sparen, Spanien stützen“

  6. ist im Spon Forum mit zwei, drei Kommentaren angesprochen worden, mehr nicht.
    In Anbetracht der Mücke mit dem Reichsparteitag, ist diese Entgleisung viel gröber, aber offensichtlich ist die Empörungs-Blase nach der Spontan-Entleerung noch nicht wieder bereit für einen erneuten Auswurf.

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