Bisher hat keiner der vermeintlichen „Geschädigten“, bei denen sich Karl Theodor zu Guttenberg in seiner Dissertation unwissenschaftlich „bedient“ hat, Anzeige gegen diesen erstattet, es ist diesen Leuten wahrscheinlich schlicht und ergreifend zu blöd, zur Polizei ru rennen und Anzeige wegen Verletzung des Urheberrechts zu erstatten. Dafür haben das über hundert andere übernommen, die offenbar nichts Besseres zu tun hatten. Wegen „Untreue“ (es geht um die Verwendung von Arbeiten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags und somit um eine vermutete Veruntreuung von Steuergeldern) haben ihn auch einige Herrschaften angezeigt, dass jetzt wiederum genau wegen dieser Anzeigen Steuergelder vergeudet werden, um diese Ermittlungen anzustellen, scheint dann egal. Es geht ja um Gerechtigkeit! Gleiches gilt für die Anzeigen wegen Titelmissbrauchs. Der Staatsanwalt muss ermitteln, die allermeisten Verfahren werden wohl eingestellt, eben weil keiner der persönlich Betroffenen Anzeige erstattet hat und ein öffentliches Interesse erst einmal gegeben sein muss.
Hat nicht auch irgendjemand Arjien Robben wegen Körperverletzung angezeigt, nachdem der vor ein paar Wochen Thomas Müller nach einem Spiel an die Gurgel ging? Dass dieses muntere Anzeigen ohne jeden Bezug zum Fall überhaupt möglich ist, finde ich völlig bescheuert. Hätte ich Jürgen Klinsmann tatsächlich wegen Sachbeschädigung anzeigen können, als er Anno Dazumal die Werbetonne kaputtgetreten hat?
Ein besonders guter Mensch hat im März die Nazi-Keule ausgepackt und Horst Seehofer nach dessen Passauer Aschermittwochsrede wegen Volksverhetzung angezeigt, obwohl er, wie er betont, noch nie zuvor jemanden angezeigt hat. Ein ganz besonders wichtiger Satz, der die Empörung über Seehofers Aussagen noch empörter wirken lässt. Seehofer hatte gepoltert, er wolle sich in Berlin „bis zur letzten Patrone“ gegen eine weitere Zuwanderung in die Sozialsysteme sträuben. Der frühere SPD-Staatssekretär sieht dadurch einen Bevölkerungsteil herabgewürdigt und glaubt den öffentlichen Frieden in erheblicher Weise gestört, auch der bayerische Grünen-Chef findet das „unerträglich“, wie es sich für Empörte gehört, wenn sie die Nazi-Keule schwingen und Aussagen in die Nähe von Rechtsextremismus rücken. Im Mittelalter hätten sie wahrscheinlich mit ähnlicher Freude die Hexen-Keule geschwungen.
Und letzte Woche hat ein Hamburger Richter Bundeskanzlerin Angela Merkel angezeigt, wegen der Billigung einer Straftat. Merkel hatte sich ja in den Nachfragen zu ihrer Stellungnahme zur Tötung des Terroristen bin Laden nicht nur erleichtert gezeigt, sondern gesagt, sie freue sich, dass es gelungen sei, bin Laden zu töten. Wörtlich wird die Anzeige von dem Richter so begründet: „Diese Äußerung – für die Tochter eines christlichen Geistlichen verwunderlich und abseits aller Werte wie Menschenwürde, Barmherzigkeit und Rechtsstaat – begründet den Anfangsverdacht einer Straftat nach Paragraf 140 des Strafgesetzbuches.“ Haben Hamburger Richter zu wenig zu tun, um ein solches Affentheater veranstalten zu können? Es ist ja schön, dass der Herr seine Menschlichkeit ausgerechnet bei einem Menschen entdeckt hat, der weltweit Angst und Schrecken verbreitet hat, zum Glück hat er offenbar auch gleich eine Horde Journalisten informiert, damit wir über eine weitere sinnlose Anzeige Bescheid wissen, die anderen Leuten nur Arbeit macht.