Abstimmungsfieber

Wie man wohl die letzten Tage unschwer feststellen konnte, hat mich das Arcaden-Fieber gepackt. Wo immer es geht, diskutiere ich leidenschaftlich über dieses Thema mit und versuche noch Unentschlossene davon zu überzeugen, ihre Kreuze gegen den ersten Bürgerentscheid und für den zweiten Bürgerentscheid zu machen, weil ich mir für meine Heimatstadt einen deutlichen Schritt nach vorne wünsche und nicht möchte, dass Würzburg so langsam aber sicher in seiner Entwicklung stagniert und auf der Strecke bleibt. Am Sonntag ist dann, egal wie die Abstimmung ausgeht, diese Diskussion abgeschlossen. Auch in meinem Blog.
Man kann doch einem Befürworter des Arcaden- oder Bahnhofsprojekts nicht vorwerfen, er gäbe damit Würzburgs Innenstadt der Verödung preis. Keiner will, dass die Innenstadt verödet, keiner wünscht sich Leerstände und keiner will, dass auch nur ein Einzelhändler seinen Laden dichtmachen muss. Ganz im Gegenteil.
Wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist, wird die Innenstadt ganz bestimmt veröden, weil dann die Kaufkraft noch weiter sinkt, da es sich in diesem Fall kaum noch lohnen dürfte, zum Einkaufen nach Würzburg statt woandershin zu fahren. Da sind dann andere Städte als Einkaufsstandort schlicht und einfach attraktiver. Die Arcaden bieten doch in Kombination mit einem neugestalteten Bahnhof als Impulsgeber die einmalige Chance, Kundschaft, potenzielle Käufer, wieder nach Würzburg zu holen, die weggeblieben sind, da es sich nicht mehr rentiert hat. Natürlich wären die Arcaden der Magnet, der die Menschen anzieht. Natürlich würden diese, wenn sie bei den Arcaden parken, zuerst dort in die Geschäfte gehen, aber wer glaubt denn im Ernst, dass eine Einkaufsfahrt nach Würzburg damit abgeschlossen ist. Wer gibt sich denn mit einem Bummel in einem Einkaufszentrum zufrieden, das gerade 20.000qm (und keinen qm mehr) Verkaufsfläche bietet? Sollen diese Läden wirklich die ganze Stadt ersetzen? Wieso sollen die Arcaden mit dem Bahnhofsdurchbruch unterhalb vom Stein nicht ein neues Tor zur Innenstadt sein? Wieso soll die „Innenstadt“ so weit weg vom Bahnhofsareal sein, dass man sich dorthin allenfalls verirren könnte? So groß ist die City nun wirklich nicht! Und die Straba gibt es schließlich auch noch, wenn der Rückweg wegen zu vieler Einkäufe zu beschwerlich ist. Und dann noch die Vorteile einer Mainfrankenbahn!

Warum schaut man denn nicht auch einmal über seinen gewohnten Argumentationshorizont hinaus? Zeitgleich mit den Arcaden wird auch der IKEA unmittelbar vor den Toren Würzburgs entstehen, der – laut IKEA – bis zu eine Million potenzielle Kunden erreichen soll. Würzburg wird dann zusätzlich wegen IKEA auch aus weiterer Entfernung angefahren und wer will allen Ernstes abstreiten, dass die vielen Arcaden– und IKEA-Besucher nicht auch Kaufkraft nach Würzburg zurückbringen, von der auch die so heftig protestierenden Einzelhändler der alten Innenstadt profitieren werden. Ich bin nun wirklich kein Wirtschaftswissenschaftler, aber die Argumente, die für ein neues Einkaufszentrum am Bahnhof sprechen, leuchten doch wirklich ein. Die gern als Alternative angeführte Residenz-Galerie kann so gar nicht überzeugen. Der Standort liegt vielleicht näher am Zentrum, aber welche Straßen sollen den erwarteten Verkehr tragen? Die stets überfüllte Balthasar-Neumann-Promenade? Der Rennweg? Die Theaterstraße? Die Ludwigsstraße?

Die Arcaden, der neue Bahnhof, IKEA und die Innenstadt – alles zusammen könnte doch Würzburg in nähester Zukunft wieder zu einer gern besuchten Einkaufsstadt machen. Ansonsten reiben sich Schweinfurt und Aschaffenburg die Hände über die Provinzstadt Würzburg, aus dessen Umland die Kunden gerne zu ihnen kommen…

Und wer ganz Unentschlossen ist, kann doch beide Bürgerentscheide ablehnen, aber unten für das zweite stimmen. Ist doch dann ein Kompromiss!

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

11 Kommentare

  1. ich bin ja auch ein starker arkaden-befürworter. und ich finde ja, die innenstadt verödet doch z.t. jetzt schon. und das würde auch ohne arkaden so weitergehen.
    aber da kann man wirklich mit vielen sehr lange diskutieren. und meine erfahrungen sind auch durchweg positive: da können arkaden-befürworter und -gegner gemütlich beieinander sitzen und hauen sich nur diskursiv die köpfe ein, und danach wird wieder ein bierchen zusammen gezischt.

  2. Überzeuge Sie, für die Arcaden zu stimmen. Oder glaubt sie wirklich, die Bahnhofsquellen versiegen und der Ringpark erstickt, wenn sich David nicht gegen Goliath im Klassenkampf durchsetzt?! Die Argumente kannst du dir hier holen! Man kann zum Einkaufen sonst nach Bad Mergentheim fahren, das ist attraktiver!

  3. Die Bahn, die Bahn! Verfällst du etwa der Meinungsmache der Klassenkämpfer? Darum gehts doch gar nicht! Wir brauchen wieder einen Magnet, damit Würzburg ein attraktiver Einkaufsstandort wird, nicht mehr und nicht weniger. Dass damit ein neuer Bahnhof einhergeht, ist nur ein sehr schöner Nebeneffekt!

  4. Der Breuninger macht in Würzburg zu, weil er sich angesichts der beengten Räume in seinem jetzigen Haus nicht in der Lage sieht, sein angestrebtes Konzept verwirklichen zu können. Wahrscheinlich so was wie das Breuninger-Land in Ludwigsburg! Der Hugendubl geht dann dort rüber, es wäre also Platz da, dass der Schum wieder zurückkommt! War ein cooler Laden!

  5. es braucht in einer Stadt keine Arcaden; das ist witzlos. Es ist absurd, zu sagen, die Verödung der Innenstadt liesse sich durch ein solches Bauwerk aufhalten. Tatsächlich wird nur die Chance verpasst, dort eine attraktive Grünfläche einzurichten und den Bhfplatz zu echt zu verschönern.
    In Zürich geht am Bahnhof direkt die Bahnhofstrasse los..da gibt es keine Arcaden und dennoch (weil die Strasse schön ist vgl. mit Kaiserstrasse (unendlich hässlich)) kommen die Leute in Massen…Individualität ist immer attraktiver als langweilige 0815 Arcaden…(Regensburg, Dresden, Konstanz,…….usw usw. die schauen alle gleich aus..)

  6. Wenn man die Proargumente betrachtet, wird man fast von der Notwendigkeit eines Einkaufszentrums in Würzburg überzeugt. Doch haben Sie auch die Contra Punkte wirklich beachtet? Natürlich kann man sagen, dass ein Einkaufszentrum außerhalb der Innenstadt zu deren Absterben führt, schließlich werden kleinere Einzelhändler ruiniert. Auch die Bebauung der Antur ist nicht gerade Vorteilhaft. Es gäbe mehr Verkehr und kam jemand würde noch die schöne Innenstadt sehen wollen,denn alles was man bräuchte, wäre außerhalb zu bekommen. Und wenn man das Einkaufserlebnis aus der Stadt verlagert, wäre es nicht viel anders als andere Einkaufszentren in anderen Städten. Dies würde die Stadt wirtschaftlich nicht ankurbeln und meiner Meinung nach einfach unnötig sein.

  7. Die Arcaden hätten ihren Standort in unmittelbarer Innenstadt-Nähe gehabt und Natur wäre nicht verbaut worden. Im Gegenteil: Die Posthallen stehen schon sehr lange. Der Ringpark hätte nach dem Bau mehr Fläche gehabt als vorher (Busbahnhof renaturiert), das ganze Öko-Gesabbel war nur ein publikumswirksamer Stimmenfänger der vermeintlichen Ringparkschützer, die sich jetzt wieder in ihre Löcher verkrochen haben, da sie das eine zwar erfolgreich verhindert haben, eine sinnvolle Alternative für Würzburg aber nicht parat hatten, sondern noch ein bisschen für das Mozart-Projekt waren, das aber sicher die Luft mehr verpestet hätte als die Arcaden in der äußeren Pleich. Egal, das Thema ist durch, Würzburg hat es ein weiteres Mal verschlafen, einen Schritt nach vorn zu machen. Andere Städte im Umkreis sind da schlauer.

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