Alltags-Terroristen

Ich wollte doch nur einkaufen, nichts anderes tun, als ein bisschen was zu trinken und zu essen kaufen. Beim Kupsch fing es an. Am Automaten für das dämliche Einwegpfand: Die Helden, die sich diesen Unsinn ausgedacht haben, sollten mal einen Tag lang in einem Laden arbeiten, wo für Müll, der eigentlich ohne Probleme seinen Platz im gelben Sack fände, für 25 Cent wieder zurückgenommen wird. Mitten in der Stoßzeit, bei meiner zweiten (von vier) „Pfandflaschen“ ist der Automat plötzlich voll, eine Verkäuferin muss erst gefunden werden, die den Rollcontainer für den Müll austauscht. Das war wirklich ein großartiges Vermächtnis der rot-grünen Regierung. Zu allem Überfluss klebte der gesamte Boden vor dem Automaten. Somit konnte ich die Zeit des Wartens nutzen, um mich vom Boden zu lösen.

Auf dem Weg zur Käsetheke ließ ich eine Oma, die sich im Schneckentempo in die gleiche Richtung zu bewegen versuchte, vorbei und stellte mich an der Käsetheke an. Die Oma erreichte so langsam die Wurstseite von der Wurst- und Käsetheke und… wurde sofort bedient. Ich habe kurz überlegt, ob ich die Verkäuferin darauf aufmerksam machen sollte, dass ich all den Käse nicht nur zum Zeitvertreib bewundere und als erster da war, habe das aber gelassen, da die Oma nicht den Eindruck machte, als würde sie die Wartezeit noch erleben. Im Nachhinein ärgere mich immer über soviel Verständnis. Also durfte ich ihr zuhören, wie sie mit leiser und zittrig-schwacher Stimme Wurst einzeln, in Scheiben kaufte. Vier Scheiben weißer Pressack (drei „s“ sind einfach unästhetisch), drei Scheiben von der Salami, zwei Scheiben von der Wurst und zum Schluss zwei Scheiben von dem Schinken. Bei jeder Wurst erst das Ausfindigmachen der gemeinten Wurst, das Rausnehmen, Abschneiden, Abwiegen, einpacken, Nachfragen nach dem nächsten Wunsch. Wenn mit der Käse nicht so angemacht hätte, ich wäre abgezogen. Ich habe aber an Frau Schaafs Schilder gedacht. Die Oma hätte heute eines bekommen. An der Kasse habe ich mich beeilt, an ihr vorbeizukommen. Selbstverständlich war die Schlange an der Kasse wieder ewig lang, ich war gestanden und gestanden, konnte gerade meine Sachen aufs Band legen, als wie immer im gleichen Moment die zweite Kasse aufgemacht wurde. Zum Kotzen. Der glatzköpfige Vollidiot hinter mir, der seinen ganzen Einkauf laut telefonierend verbrachte, checkte das aber nicht, also stand auch ehe er sich versehen konnte, an der anderen Kasse eine Schlange.

Beim Anstehen habe ich also Leute beobachtet und am Transportband eine Art Revierverhalten ausgemacht. Legt mal eure Waren ohne einen Trennbalken auf das Band. Recht nah an die Waren vom Vordermann, oder noch besser, von der Vorderfrau mittleren bis höheren Alters: Erst misstrauisches Beäugen, ob nicht eines der wertvoll, eigenhändig mitgenommenen Waren weggenommen wird. Dann noch ein Blick, noch ein Blick, tiefste Aggression ist schon zu sehen, dann verzieht sich der Mund und schon wird der Trenner dazwischengelegt, um ein für alle zu klären, wo der Ziegenbock den Honig hat. Es funktioniert. Ich habe es bei der Norma gleich nochmal probiert. Bei der böse schauenden älteren Frau, die ihren Einkaufswagen vorsichtshalber schon mal an die Kasse gestellt hat, nirgends zu sehen war, dann plötzlich wieder auftauchte, Eier in ihren recht vollen Einkaufswagen legte und stur geradeaus schaute. Dass ich nur ein bisschen was in der Hand hatte und mich aufreizend neben ihren kurz vor der Kasse stehenden Wagen gestellt hatte, einfach vordrängeln ist ja langweilig, wollte ihr nicht auffallen, also hat sie ihren ganzen Scheiß aufs Band geräumt. Als sie endlich fertig war mit ihrem Umladen, hat sie mich kurz böse angeschaut, um dann wieder zu stieren. Also habe ich meinen Sechserpack Wasser (wo das Pfand mehr kostet als das Wasser!) aufs Band gestellt, provozierend nahe an ihren eingeschweißten Aufschnitt. Und schon ging es wieder los. Die Wut war fast greifbar. Das Gebahren noch ausgeprägter als vorher beim Kupsch. Einkaufen war heute echt nervtötend, natürlich kramte die olle Kuh dann ewig in ihrem Geldbeutel nach passendem Kleingeld. Ich hätte drauf wetten können. Noch ein Schild!

Und dem fiesen kleinen hellbraunen Hund mit seinem dämlichen roten Halstuch, der eigentlich immer dann, wenn ich bei der Grombühl-Norma einkaufe, draußen angebunden aus Langeweile kläfft, dem drehe ich irgendwann den Hals rum. Leider habe ich meistens die Hände voll. Dieser reudige Köter!

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Alltag

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

Ein Kommentar

Kommentare sind geschlossen.