Andere Länder, andere Killerspiele

Nach dem schrecklichen Amoklauf in Winnenden war es eigentlich sonnenklar, dass reflexartig eine erneute – und völlig überflüssige – Debatte um ein Verbot von Killerspielen losgetreten wird. Politiker und Experten aller Art tun sich ja mit diesem altbekannten Aktionismus sehr gerne hervor, wenn es darum geht, Gründe zu finden, warum junge Menschen zu etwas so Schlimmem fähig sind, und die bösen bösen Killerspiele sind da natürlich das gefundene Fressen, ohne das man das Phänomen Amoklauf nicht mehr so häufig finden würde, da dort das Töten gelernt wird. Mit :, #, ; und der Leertaste trainiert man das ja auch ganz realistisch.

Auch das Waffengesetz muss dann verschärft werden, Waffen müssen verboten werden und Sportschützen sind plötzlich ein potenzieller Gefahrenpol. Wir haben ein strenges Waffengesetz und selbst dann, wenn Waffen im Schützenverein eingeschlossen werden, schließt das Amokläufe nicht aus. Ein Einbruch im Schützenheim würde sich dann allerdings für jemanden, der sich Waffen besorgen will, richtig lohnen. Strengere Kontrollen verhindern auch nicht, dass im Zweifel eine Beretta im Nachttisch lagert. Auch auf der Nicht-Absage der Waffenmesse in Nürnberg zwei Tage nach dem Amoklauf wurde immer wieder herumgeritten. Gegen was sollen eigentlich noch Präventivmaßnahmen ergriffen werden? Letztlich lässt sich eine solche Tragödie leider nicht verhindern, ganz gleich, was man alles verbieten will.

Während bei uns einmal mehr über Killerspiele debattiert wird und der Kaufhof in einem Anfall von Aktionismus alle USK-18-Titel aus dem Sortiment gestrichen hat, wirbt Sega in London mit einer ganz besonders drastischen und äußerst makabren Aktion für das Spiel Madworld, das in Deutschland gar nicht erst veröffentlicht wird, da solche Spiele sowieso nicht unbehelligt an der digitalen Zensur vorbeikämen: Mit abgetrennten Gliedmaßen aus Plastik auf den Gehsteigen Londons wird für das bluttriefende Ballerspiel geworben, Passantenreaktionen wurden bewusst beobachtet. Geschmacklos und krank nannte es sogar die sonst nicht zimperliche Sun, überflüssig ist so ein Spiel in meinen Augen per se und den Anreiz eines Spiels, bei dem ich stundenlang rumballere und – ganz wichtig! – Strategien erarbeite, kann ich nicht nachvollziehen. Ich will es auch nicht. Was man an Killerspielen generell finden kann, erschließt sich mir wahrscheinlich nie, ein Verbot wird aber sicherlich auch nie verhindern, dass man an so etwas herankommt, das Internet kennt keine Grenzen und unsere Freiheit lieben wir ja auch. Niemand wird sich sein Ballerspiel beim Kaufhof holen, im Zweifel bestellt man das im Internet im Ausland, weil es dort unverändert erscheint. Wie will man das denn einschränken? Und auch Madworld wird seinen Weg auf deutsche Wiis finden, so schwer ist es schließlich auch nicht, an solche Spiele heranzukommen. Verbietet man es in Deutschland, ist der Anreiz, das Spiel „zu besorgen“ doch umso größer.

Man muss nicht immer alles verbieten. Wenn Eltern so verantwortungslos sind und nicht checken, was auf den Computern ihrer Sprösslinge läuft, vor dem sie stundenlang hocken dürfen, muss man nicht die Spiele verbieten und die Schuld irgendwo in der Gesellschaft verankern. Mein Kind bekäme keinen Rechner mit Admin-Rechten und merkwürdigerweise bedarf es bei vielen Bestellungen im Internet auch einer Kreditkarte. Die besitzen Minderjährige in der Regel auch nicht. Wie viele Eltern kaufen ihren Kindern Spiele wie GTA und kümmern sich einen feuchten Kehricht um die Altersfreigabe, weil das eigene Kind ja immer reifer ist als andere. Einfach absurd, diese Debatte.

Richtig lächerlich war der medienwirksame Boykottaufruf einiger Liedermacher, die ihre Kinder erst wieder in die Schule schicken wollten, wenn die Schulen sicher und Mordwaffen verboten sind. Und dann läuft einer im Supermarkt Amok, wo kein Wachpersonal und Metalldetektoren sind und hat eine Waffe vom polnischen Schwarzmarkt…

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

3 Kommentare

  1. Das ist halt das Problem der Politik: Möglichst medienwirksam die einfachen Aktionen starten (Waffengesetz, USK) und damit von den eigentlichen, gesellschaftlichen Problemen abzulenken.
    Ist ja auch viel teuer, wenn man Psychologen und Sozialpädagogen an Schulen holt. Das will natürlich keiner zahlen.

    Nachdem ich mich die letzten Jahre intensiv mit diesem Thema befasst habe, schaue ich jetzt, dass ich möglichst wenig aus der Öffentlichkeit davon mitbekomme. Ist eh immer das Gleiche. Und wer glaubt schon, dass sich das in den nächsten 50 Jahren (so lange ich arbeite) ändert?

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