Auf dem Campingplatz

Dickbäuchiger Glatzkopf mit wuscheligem Bart (der Gegner von Sly Stallone in Over the Top sah ihm ziemlich ähnlich), Hund, dicker Frau und Jogginghose, der als erstes seine Satellitenschüssel ausrichtet, dann sein mitgebrachtes Motorrad ablädt, um anschließend Tag für Tag im Wohnmobil fernzusehen. Ein Klischee? Ja. Und doch wurde es auf herrlich-schöne und beeindruckende Weise direkt vor unseren Augen wahr. Auf dem benachbarten Stellplatz kam das Wohnmobil an, sofort wurde eine geeignete Stelle für die lebenswichtige Antenne gesucht und fortan ausgerichtet, damit man keine Folge von Das perfekte Dinner verpasst. Die schönen Berge, das herrliche Wetter? Tolle Kulisse, aber die auch ständig sehen? Passiert ja nichts. Also sah man Kollege Bilderbuch-Camper die ersten Tage in derselben weiten Jogginghose, erst nach dem Besuch in der Sauna trug er eine andere. Eine karierte – dann zwei weitere Tage später eine schwarz-graue, danach wieder die erste. Ein- bis zweimal am Tag wurde der Hund gelüftet, die Welt um den Campingplatz herum schien zweitrangig. Beim Wegfahren hat er dann auch mal freundlich gelacht.
Dann waren da auch die Leute, die sofort nach der Ankunft und der Justierung der Sat-Antenne ihre Fahnen hissen mussten, um der Welt ihre Herkunft und ihre Gesinnung zu offenbaren. Einer hat wohl einer rübergemacht, wie anders ist es sonst zu erklären, dass ein „Allgäuer“ neben der bayerischen Fahne eine Dynamo-Dresden-Fahne in den Himmel ragen lässt? Das macht man doch nicht. Bei Ossis geht der Trend aber generell weg vom Wohnwagen mit Fähnchen hin zum nagelneuen Wohnmobil, irgendwo muss das Geld ja hin.
Ein weiterer Trend zeigt, dass man einen Zweithund braucht. Keinen richtigen Hund wie einen Schäferhund, einen Berner Sennenhund, ein deutsches Kurzhaar, nein, rattenähnliche Wesen irgendwo zwischen Hund, Katze und Hamster dürfen an der Leine den Campingplatz bestaunen, ihr klitzekleines Häufchen ins Gras setzen, das die Hunde-Mutti dann mit Hilfe des mitgebrachten Tütchens entfernt, weil wir völlig unauffällig mit unseren Stirnlampen zugeschaut haben und einen Hundeschiss neben unserem Zelt nicht nett gefunden hätten.

Wichtig zu erwähnen sind auch die vielen Menschen mit dem Scheißekoffer auf dem Weg zur Entsorgung. Wir haben ja nicht auf irgendeinem Campingplatz Urlaub gemacht, sondern auf einem der schönsten Europas. Dementsprechend sind natürlich die sanitären Einrichtungen und wenn nicht gerade jemand eine satte Bremsspur hinterlassen hat, ist doch ein ordentlicher Schiss in einem geräumigen Klo mit Fußbodenheizung angenehmer als der Vollzug auf einem Mini-Chemie-Klo, das anschließend quer über den Platz getragen werden muss, um dort entleert zu werden – natürlich bei offener Tür.

Ich hätte mit K. doch Camping-Lotto spielen sollen: Man sucht sich sechs Leute aus, die man auf gar keinen Fall in der Sauna treffen will – ich kann nur sagen: Man trifft sie dann ganz bestimmt. Nackt. Viel zu nackt. Noch nackter als wenn sie sich im Bikini sonnen. Schauderhaft. Ich hätte es selbst nicht gedacht, aber das Campen hat mir so richtig viel Spaß gemacht – ich werde es mit Sicherheit wieder tun! Wenn man die Augen auf hat und immerzu lustige Sachen sehen möchte, ist man in einem Mikrokosmos Campingplatz ganz toll aufgehoben. Und günstig ist es obendrein, v.a. wenn man bedenkt, in welch toller Umgebung wir waren.

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Kategorisiert in Alltag

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

4 Kommentare

  1. Never ever! Meine sauer verdienten Flocken werde ich für meinen Teil niemals in einer Wohnwagen trifft Dackelgarage-Enklave ausgeben in der ich dann meine mir mühsam abgerungene Notdurft noch selbst über den Platz spazieren trage. Fußbodenheizung im Toilettenhaus für geschätzt 300 Leute? Is ja dufte … Nene. Not my cup of tea. Gottseidank sind die Geschmäcker verschieden! 🙂 🙂 🙂

  2. Du beschreibst das Paradies! Das hätte mir auch ganz gut gefallen. Schöner Blick auf die Realität! Aber nach einer Weile des Beobachtens und sich Wunderns über solcher Zeitgenossen – irgendwann reichts mir dann doch immer – ich sage da nur: zwei Wochen Urlaub mit dem Rotel-Bus. Raheizend!

  3. Wer wohnt denn schon im Wohnwagen? Zusammen mit unseren bayerischen Nachbarn ähnlichen Alters waren K. und ich die letzten Zelter (auf 1520m und 5 Grad nachts) und die Toilette mussten wir uns mit weit weniger Zeitgenossen teilen…

  4. Nee, nee, schliesse mich dem 1. Kommantar an, ich ziehe ein schönes Hotelzimmer mit schönem Bett einem welligen Erdboden mit dünner Isomatte vor 😉 Mann weiß ja was man sich schuldig ist 😀
    Zugegeben in einem Hotelzimmer kann man aber nicht so schöne Klischees beobachten …

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