Busfahrer vs. Schüler

Der alltägliche Kampf. Ich möchte mit keinem Busfahrer tauschen, der nach Schulschluss 50 oder mehr Schüler chauffieren muss und sich dabei das wilde Geschrei anhören muss. Der Schlussgong bedeutet jeden Tag aufs Neue, dass gerade die Kleinen wild schreiend aus der Schule rennen, um als erster die Penne – tolles Wort, das fand ich zu meiner Schulzeit schon völlig veraltet – hinter sich zu lassen. Im Bus gibt es dann das übliche Gerangel und wenn es was zum Werfen gibt, dann wird das geworfen. Auch mal auf den Busfahrer. In der Menge geht das ja unter. Glaubt man. Habe ich bisher auch geglaubt.

In Neufahrn bei München gab es im Schulbus die gewohnten Tumulte, auch eine gefährliche Mandarinen-Schale ist durch den Bus geflogen. Das macht man nicht. Dreck schmeißen fand ich schon als Schüler scheiße, weil das dann immer irgendeiner aufheben musste, eine Mütze, ein Handschuh oder ein Schuh ist aber durchaus auch mal durch den Bus gewandert oder geflogen. Der Besitzer war meistens der, der geweint hat. Die Mandarinen-Schale klatschte also neben dem Fahrer gegen die Frontscheibe, der hielt 20 Meter vor der Haltestelle an und verpasste der versammelten Meute mit dem noch anonymen Täter einen verbalen Einlauf, der wohl fast 20 Minuten dauerte. Er würde erst weiterfahren, wenn sich der Werfer gestellt hat. Die eingeschüchterten Kinder alarmierten – die Technik macht das 20 Jahre später möglich – ihre Eltern, die sich besorgt auf den Weg machten, um ihre Kinder vor dem sicheren Tod zu retten. Das muss wohl eine ziemlich skurrile Szene gewesen sein, weil der Busfahrer erst nachgab, als sich der Täter heulend stellte. Zu seinen Missetaten muss man halt stehen, auch das muss man lernen. Was der Busfahrer gemacht hat, ist zwar ziemlich daneben, aber ich habe mir sofort einen Busfahrer vorgestellt, der auch heute noch in Würzburg unterwegs ist und der mich und andere schon zu Grundschulzeiten regelmäßig wie ein Irrer angebrüllt hat, weil wir uns nicht hingesetzt haben. Vor dem hatte ich wirklich Angst. Alle zwei Wochen hat er uns zum Schwimmen gefahren und uns angeschrien, wenn wir nur eingestiegen sind. Etwa so, wie die Militärbusfahrer in den US-Kriegsfilmen. Meiner Mutter habe ich nie erzählt, dass ich vor dem Angst hatte. Jetzt muss ich das mal gestehen. Hier.

Die TZ hat das gleich mal ganz reißerisch „Geiselhaft“ genannt. Hier lohnen sich übrigens die Kommentare zum Artikel, die teilweise dem Busfahrer voll zustimmen und die Kinder beschimpfen, weil deren Eltern in der Erziehung versagt hätten. Meine Eltern hätten im Zweifel auch dem Busfahrer Recht gegeben, wenn ich eine Mandarinen-Schale nach ihm geworfen hätte. Heute rennen Eltern immer zur Zeitung, das finde ich lustig. Selbst der Spiegel berichtet darüber.

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Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

7 Kommentare

  1. Immer diese Eltern, die es nicht schaffen, ihren Kindern ein paar Grundsätze mitzgeben.

    zB Regel 275:
    Den Busfahrer nicht mit Mandarinenschalen bewerfen.

  2. Das ist zwar Lernen auf die etwas härtere Art, aber der Junge wird weder einen körperlichen noch einen seelischen Schaden genommen haben.

    Den Waldorf-Busfahrer gibt es noch nicht, der mit den Kindern über ihre Fehler diskutiert und ihnen zeigt, dass man einen Mandarinen-Schale ganz toll kompostieren kann.

    😀

  3. Habe den Artikel gelesen und mich über die Dummheit der Mitfahrer kaputt gelacht: Warum hat keiner die Türnotöffnung betätigt und ist ausgestiegen (oder haben die kleinen Engel diese vorher schon kaputt gemacht)…

  4. Das wäre zu viel Eigeninitiative. Eine andere Möglichkeit wären die kleinen roten Nothämmer gewesen. Die haben bei unserem Wüterich grundsätzlich gefehlt, damit wir damit keinen Scheiß machen.

    Der hätte uns den bloßen Gedanken angesehen und uns mit Haut und Haar aufgefressen.

  5. >Ironie anIronie aus< (OK war schon früher aus aber so sieht es schöner aus)

    @ al: Wie erklärt es sich eigentlich, dass der Fußballverein, dessen vermeintliche „Fans“ Randale machen, bestraft wird? Die Spieler waren doch zur Tatzeit alle auf dem Platz?
    😉

  6. Diesmal ohne Sonderzeichen, dann kann ich nix falsch machen:
    Wenn er die lieben Kleinen rausgelassen hätte wäre er auch dran: Siehe DB (wobei ich da auf Seiten der Eltern stehe: Kinder auf einem Bahnhof a.a.d.W. auszusetzten geht meiner Meinung nach gar nicht, da hätte die Identität festgestellt werden können)

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