Ganz einfach war es nicht, ein paar Informationen über die Charlott Terrassen am Nikolausberg herauszufinden, wo ich das Foto vom letzten Fotorätsel gemacht habe. Ich fand es dort oben so toll, als ich mit meiner Kamera herumgestrolcht bin und diese Bilder des inzwischen völlig verfallenen Gebäudes gemacht habe, die erahnen lassen, wie schön es in den Charlott Terrassen war.
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Erster Ansprechpartner war natürlich meine Oma, die 1915 in Würzburg geboren wurde und seitdem hier lebt. Sie hat sofort vom „Charlott Kaffee“ gesprochen und erzählt, dass dort Tanzbetrieb war und sie selbst eher selten dort war, weil es dort gehobener zuging und sie nicht „so viele Rubeli“ gehabt hat, um dort regelmäßig hinzugehen. Ab und an hätten sie mal ihr „Geld zusammengekratzt“ und hätten sich dort was gegönnt, nach dem Krieg sei dort aber nichts mehr losgewesen. Eine Postkarte aus der Nachkriegszeit zeigt ein Foto der wunderschönen Terrasse mit der noch schöneren Aussicht, in der kurzen Beschreibung steht „1921 – 1965“, was auf die Zeit des Betriebes hinweisen könnte. Eine noch ältere Postkarte befindet sich im Besitz von CSU-Stadtrat Willi Dürrnagel, über die die Mainpost letztes Jahr berichtet hat: Zur Jahreswende 1899/1900 waren auf der Postkarte „Käppele mit Nicolausburg“ auch schon die Charlott Terrassen abgebildet, die oben erwähnte Zeitspanne könnte somit auf die Zeit hinweisen, in der die Gebrüder Schmidt diese Lokalität bewirtschaftet haben. Da M. die Woche geschrieben hat, sein Schwiegervater habe ihm von Tanzbetrieb bis Mitte der 60er Jahre erzählt, schließt sich hier auch der Kreis; da es keinen guten Zugang gibt, scheint es auch nur verständlich, dass die Besitzer die Getränke nicht mehr über die Treppen schleppen wollten, die von oben (Germanenhaus) und unten (Mergentheimer Straße) dorthin führen. Eine Zufahrt ist nicht möglich, dass man sich keine andere Lösung für diesen tollen Ort überlegt hat, ist wirklich sehr schade.
Mainpost-Redakteur Roland Flade hat in seinem 2009 erschienenen Buch „Zukunft, die aus Trümmern wuchs. 1944 bis 1960: Würzburger erleben Krieg. Zerstörung, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“ in einem Kapitel von einem Franz Kunz geschrieben, der u.a. in den Charlott Terrassen mit seiner Band Tanzmusik gemacht hat, was der Aussage meiner Oma widerspricht, nach dem Krieg habe sich niemand mehr um das Café gekümmert, im Gegenteil, in den goldenen 50er Jahren muss dort richtig was losgewesen sein. Da aber alles über Treppen dorthin transportiert werden musste, haben die Besitzer, die Gebrüder Ludwig und W. Schmidt, diesen Standort aufgegeben und den „Falkenhof“ in der Innenstadt weitergeführt. In der Chronik des Tennisclubs Weiß-Blau Würzburg werden die Charlott Terrassen ebenfalls erwähnt, das Clubhaus und die Charlott Terrassen seien 1947 die ersten Cafés in Würzburg nach dem Krieg gewesen.
Da T. die Spannbetondecke erkannt hat und den Bau auf die 50er Jahre datiert hat, passt auch das gut zu dem blühenden Betrieb in dieser Zeit, M. hat mich zudem darauf hinwiesen, dass die Mauer des Gebäudes auf dem Bild „Oberschoss II“ (auch im Fotorätsel) erst nach dem Krieg entstanden sein kann, was man an den Steinen erkennt, da diese Art Steine aus gemahlenen Trümmern geformt worden ist. Eine solche Maschine stand auf dem Marktplatz, wo die geräumten Trümmer der Zerstörung gleich zu Backsteinen verarbeitet wurden und beim Wiederaufbau verwendet werden konnten.
In dem Aufsatz „Soundscapes – Würzburger Klangräume„, der im Rahmen eines Projekts der Würzburger Volkskunde entstanden ist, heißt es
So trat der Akkordeonist Werner Fuchs mit seiner Tanzkapelle „Casanova“ regelmäßig in der Umgebung auf. In Würzburg selbst tanzte man in den 1950er Jahren im „Café Ludwig“, im „Russischen Hof“ oder auf den „Charlott-Terassen“ [sic!]. Die Musik dazu boten Live-Bands wie die „Tanzkapelle Lommel“, während sie in Eisdielen und in Rock’n’Roll- Kneipen aus Wurlitzer-Musikboxen dröhnte.
Überhaupt waren die Charlott Terrassen offenbar ein Ort, an dem gerne und gut gefeiert wurde, der Reitverein Würzburg erinnert sich in seiner Chronik an die vielen Vereinsfeste, erinnert aber besonders an die Feier in den Charlott Terrassen im Jahre 1950.
Von meiner Oma weiß ich, dass die Gebrüder Schmidt neben den Charlott Terrassen auch das Charlott Kaffee in der Innenstadt geführt haben. Dieses befand sich im ersten Stock über der heutigen Commerzbank Bank am Vierröhrenbrunnen, dort war aber laut Aussage meiner Oma kein Tanzbetrieb. Ein Foto von dort könnte diese Postkarte sein, da die Anzahl der Fenster und die Abmessungen nicht zu dem passen, was ich oben am Nikolausberg gesehen habe.
Ich bin sehr gespannt, ob wir hier weitere Informationen zusammentragen können.
Tolle Infos, tolle Bilder! 🙂
Der erste Postkarten-Link funktioniert bei mir nicht. Müsste aber entweder das Bild sein:
http://www.ebay.de/itm/AK-Wuerzburg-Charlott-Terrassen-Konditorei-Cafe-Franken-/110734603452
oder dieses
http://phila3000.de/JPGS/we/we10000-14999/we11798.jpg
Eben heute morgen hab ich von der Mutter meines Freundes (die heute aus dem Urlaub kamen) den richtigen Namen erfahren und sie meinet auch dass es in den 50er Jahre total in war, da rauf zu gehen, sie selber sei aber noch zu jung gewesen.
Danke, habe den Link schon ausgebessert.
Die letzte Postkarte muss eine Aufnahme von den Terrassen sein, weil ich außerhalb Dächer von oben und zu viele Bäume für den Bereich um den Vierröhrenbrunnen erkenne.
In der Stadtgeschichte ist das Charlotte – wie schon erwähnt – nur als Beispiel für das tägliche (bis auf Montag) Angebot von Tanzabenden erwähnt. „Seit den 1970ern, als sich eine neue Jugend- und Musikkultur (‚Neeechermusik‘ – das gehört nicht zum Zitat) formierte, gewannen dann die Diskotheken mit Popmusik die Oberhand, und den herkömmlichen Gesellschaftstanz gibt es nur noch auf Bällen.
Du hast recht, das ist wahrscheinlich am gleichen Tag fotografiert worden, da der Schirm von innen auch zu sehen ist und die Zahl der Fenster von außen auch passt. Das Häuschen, das allerdings noch steht, kann es nicht sein, das ist zu klein.
Ich nehme mal ganz stark an dass da ein Teil abgerissen wurde… denn (ich war am Freitag dort), da steht außerhalb des Gebäudes noch ein Abflussrohr im Boden… deshalb glaube ich dass das Gebäude ursprünglich länger war! Und das mit dem Schirm ist mir auch schon aufgefallen (allerdings weiß man auch nicht ob es früher sooo viele unterschiedliche Gastronomieschirme gab wie das heutzutage der Fall ist)…
Ja, der Grundriss würde mich auch mal interessieren, weil im übrig gebliebenen Haus ja relativ wenig Platz ist. Muss nach hinten raus mindestens bis zu dem Kellerschacht gegangen und der Kellereingang müsste auch im Haus gewesen sein. Kann Deine Oma nicht noch eine Skizze zeichnen?
Meine Oma ist fast 97. Die war da recht selten oben, zumal ihr in der Zeit, als dort oben der Bär steppte, nicht nach Tanzen zumute war.
Habe heute meine Bilder auch mal veröffentlich:
http://kneebee.freeunix.net/?p=1053
Schönen Tag noch!
Hi,
wo genau ist denn das? Ich konnte das haus bislang nicht finden.
Am 04.11.2014 erschien dieser interessante Artikel in der Mainpost, der so manches Rätsel zu den aufgeworfenen Fragen lösen kann. So stand dort oben also noch ein großes Haupthaus, das aber abgerissen werden musste. So sind also die großen Fenster zu erklären.
http://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/Charlott-Terrassen-Das-Tanzlokal-ist-nur-noch-Ruine;art492151,8412207
Konnte es auch nicht finden aber ich werde weiter versuchen..
Hallo.
Ich liebe verlassene Ruinen oder eben verlassene .
Bin Würzburger. Würdest du mir bitte sagen, wie ich auf das ehemalige Grundstück der Jahnterassen bzw. Charlottterassen komme? Danke wäre sehr lieb von dir.
P. S. Mein Hobby ist Fotografieren vor allem Schwarzweiß und HDR…
Könnte man es nicht wieder auf bauen ?
Das wäre toll .