Warum soll ich nicht mal über einen CSU-Parteitag bloggen, vor allem dann, wenn es Edmund Stoibers letzter Parteitag als Parteivorsitzender und Bayerischer Ministerpräsident ist und mit Horst Seehofer, Erwin Huber und Gabriele Pauli gleich drei Kandidaten für den Parteivorsitz zur Wahl stehen?
[14.32] CSU-Generalsekretär Markus Söder eröffnet den Parteitag, der unter dem Motto „Konservativ, liberal, sozial“ steht. Er gratuliert Edmund Stoiber zu dessen Geburtstag, mahnt zur Geschlossenheit, gibt den groben Fahrplan vor und übergibt an das Tagungspräsidium um Ingo Friedrich, der die heutige Tagesordnung vorstellt.
[14.41] Edmund Stoiber beginnt seine Grundsatzrede mit einer Reihe von Danksagungen.
[14.49] Stoiber sagt Ja zu Familie, klassischen Werten und deutscher Leitkultur, betont die große Bedeutung von Inhalten und erteilt bloßer Show eine deutliche Absage. Frau Pauli ist im Bild. Es wird nicht der einzige Seitenhieb bleiben.
[14.58] Jetzt ist der politische Gegner dran: „Beck sitzt am Klavier und hat keine Partitur.“ Stoiber sieht die Seele der SPD an Lafontaines Linkspartei verloren und die SPD als zahnlose Volkspartei, der die CSU als echte Volkspartei gegenüber steht. Die Ablehnung der Grünen zum Afghanistan-Einsatz müsste dem letzten die Augen öffen. Er zählt die Erfolge der Auslandseinsätze in Bosnien und Afghanistan auf, die noch Joschka Fischer auf den Weg gebracht hatte, und erteilt einer Zusammenarbeit mit den Grünen eine deutliche Absage, weil Menschenrechtsverletzungen mit diesen Einsätzen entgegengewirkt werde.
[15.20] Im Kampf gegen extremistische Parteien sieht er die CSU hellwach am rechten Rand. Der SPD wirft er vor, auf dem rechten Auge einen scharfen Blick zu haben, auf dem linken aber blind zu sein und der Linkspartei beinahe kampflos das Feld zu überlassen. Die SPD müsse endlich eine klare Position beziehen und dürfe nicht wie bisher um eine Entscheidung herumeiern.
[15.31] Stoiber betont die Wertschätzung von Ehe und Familie, er will die Entscheidung zweier Menschen füreinander auch in Zukunft besonders schützen und lobt Errungenschaften wie das Erziehungsgeld, auch in Abgrenzung gegen die Schwesterpartei, gegen die CDU. Die Wertepolitik der CSU sei unverkenbar und schaffe Identität, unsere Heimat sollte auch in 20 Jahren Heimat sein und ihre Werte nicht nach und nach aufgeben. Ein deutscher Personalausweis mache aus Zuwanderern noch lange keinen verantwortungsvollen Staatsbürger.
[15.45] Der Intoleranz des Islamismus sei lange genug mit falscher Toleranz begegnet worden und man hätte Schwäche denen gegenüber gezeigt, die die westliche, christlich geprägte Zivilisation zum Feind erklärt hätten. Wir müssten unsere Werte wie Freiheit, Toleranz und Ehe selbstbewusster schützen und verteidigen. Die europäische Wertegemeinschaft dürfe sich nicht mit einer Aufnahme von Ländern in Frage stellen, die wie die Türkei auf einem ganz anderen Wertesystem aufbauen und denen europäische Werte fremd sind. Wer hier zuwandert, müsse sich an unseren Werten orientieren, das habe nichts mit mangelndem Respekt und Toleranz zu tun.
[15.55] Edmund Stoiber beendet seine Rede mit einem Lob für Bayern, mit einem Lob für die CSU, deren Identität der viel zu selten genannte Gerold Tandler schon in den 70er-Jahren mitgeschaffen habe. Diese Identität gelte es zu bewahren. Minutenlanger begeisterter Applaus folgt, die Abschiedsrede Stoibers folgt morgen.
[15.57] Alois Glück, Vorsitzender der Grundsatzkommission, stellt die Arbeit der Kommission und das Grundsatzprogramm vor. Die CSU sei tiefverwurzelt und stehe somit auf festem Grund.
[16.20] Das Antragsverfahren wird eröffnet: Änderungswünsche können vorgebracht werden, anschließend erfolgt die Abstimmung über die einzelnen Blöcke des Grundsatzprogramms.
[16.46] Frau Pauli stellt ihren Antrag bezüglich der Ehe vor, eine Gegenrednerin nimmt diesen nach Strich und Faden auseinander, da er nicht in das Grundsatzprogramm der CSU passe. Ehe und Familie seien Grundpfeiler unserer Gesellschaft, was auch Peter Ramsauer in seiner Wortmeldung noch einmal unterstreicht und die Familienpolitik der CSU auch gegen parteiinterne Querschüsse verteidigt. Seine Kritik richtet sich dabei v.a. an Ursula von der Leyen. Auch eine dritte Wortmeldung erteilt Paulis eigenwilligem Vorschlag eine klare Absage.
[16.52] Auf die erneute Wortmeldung Paulis und ihre Kritik am Grundsatzprogramm reagiert Alois Glück relativ scharf. Paulis Antrag wird mit überwältigender Mehrheit bei einer Gegenstimme abgelehnt.
[17.16] Ein weiterer Antrag von Frau Pauli steht zur Abstimmung an: Sie will einen Satz im Grundsatzprogramm zum EU-Beitritt der Türkei anders formuliert haben, die Tür nicht grundsätzlich schließen und nur zum jetzigen Zeitpunkt eine Mitgliedschaft ausschließen. Ein erster Gegenredner sieht die von Stoiber angesprochene unterschiedliche Wertebasis als großes Problem, die fehlende Religionsfreiheit dort als noch viel größeres. Eine privilegierte Partnerschaft sei natürlich weiterhin möglich und auch gewünscht. Auch ein zweiter Gegenredner widerspricht Pauli energisch, da die Türkei in 20 Jahren die bevölkerungsstärkste Nation wäre und darüber heute nicht entschieden werden könne. Frau Paulis Stimme ist wieder die einzige dafür, alle anderen lehnen ihren Antrag ab. Sie könnte auch beantragen, dass die Bayern morgen gewinnen, selbst das würde abgelehnt.
[17.42] Edmund Stoiber begrüßt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit stehenden Ovationen empfangen wird. Sie spricht als CDU-Vorsitzende auf dem Parteitag der Schwesterpartei aus Bayern, würdigt Stoibers langjährige Arbeit als Ministerpräsident und Parteivorsitzender und gibt dann ihrerseits die politische Ausrichtung für die nächste Zeit vor.
Bescheuert, das komplett anzuschauen. Aber so erkältet wie ich war…