Der Baader Meinhof Komplex

Letzte Woche habe ich mir im Kino von Wolfratshausen, einem wirklich netten kleinen Haus, den vieldiskutierten RAF-Film Der Baader Meinhof Komplex angeschaut, heute war ich noch einmal mit meiner Klasse in dem Film, weil wir uns seit drei Wochen mit der Kontroverse um diesen Film beschäftigen. Der vernichtenden Kritik von Meinhof-Tochter Bettina Röhl und Hinterbliebenen kann ich mich jedoch nicht anschließen, auch wenn ich diese in vielen Punkten sehr gut nachvollziehen kann:

Der Film beginnt mit den Studenten-Protesten anlässlich des Besuchs des Schahs von Persien, der Eskalation der Gewalt durch prügelnde Jubelperser und der Hilflosigkeit der Polizei in dieser Situation, die mit der Erschießung Benno Ohnsorgs am 2.Juni 1967 ihren traurigen Höhepunkt erreichten. Die Bewegung radikalisiert sich und es entsteht die Revolutionsgruppe um Andreas Baader und Gudrun Ensslin, anschließend wird der Weg aufgezeigt, wie die Gruppe, der auch bald Ulrike Meinhof angehörte, getrieben von fanatischen Revolutionsideen immer mehr in den Wahnsinn des Terrorismus abdriften. Kommunismus und Sozialismus waren damals in, Sympathisanten fanden sich schnell. Ich werde den Inhalt nicht weiter nachzeichnen, da die Geschichte bekannt ist.

Bernd Eichinger und Uli Edel versuchen, mit Beratung von BMK-Autor Stefan Aust, die Entwicklung der Täter aufzuzeigen. Diese stehen daher zwangsläufig im Mittelpunkt, was auch per se kein Fehler ist. Die Darstellung der Opfer, sie werden kaum charaktersiert und dienen als Schießbudenfiguren, finde ich nicht so problematisch oder entwürdigend, wie das die Hinterbliebenen der Opfer immer wieder beklagt haben. Gerade das Ummähen der Opfer ohne jede Gnade schreckt ab und befremdet nicht nur, sondern stößt ab, zumindest erging es mir so. Wer da noch Verständnis zeigt, sollte sich Gedanken machen.

Den Vorwurf, die bekannten Schauspieler würden ungeahnte Sympathien für die von ihnen dargestellten Terroristen wecken, kann ich nicht nachvollziehen. Ensslin kommt, wenn ich sie als fanatische Hexe bezeichne, noch gut weg, Baader (M. Bleibtreu) ist selbstherrlich, egozentrisch, einfach nur widerlich und Martina Gedeck konnte mir Ulrike Meinhof auch nicht näherbringen, weil sie in anderen Filmen schon Sympathieträgerin war. Die bekannten Gesichter spielen keine Rolle, da alle ihre Rollen wirklich großartig ausfüllen.

Das große Problem des Films ist aber die Darstellung des Staates und des „Systems“, das die Terroristen in ihrer Vision von Sozialismus, Anti-Imperialismus und Kommunismus bekämpfen wollten. Schon bei der Demonstration sind die Polizisten prügelnde, gesichtslose Statisten, die mit roher Gewalt auf alles einprügeln, was sich bewegt. Gerade die ersten Minuten machen die Motive der Terrorgruppe, die sich gegen den faschistischen Polizeistaat „wehren“ will, regelrecht nachvollziehbar. Repräsentanten des Staates sind sehr unpersönlich dargestellt, gesichtslos und in der Regel sehr brutal und unmenschlich, einzig Bruno Ganz als BKA-Chef Herold wird genauer gezeigt, das Ringen um die richtigen Entscheidungen von Bundeskanzler Helmut Schmidt und seinem Krisenstab wird völlig ausgeblendet, Szenen wie die Zwangsernährung von Holger Meins verstärken den Eindruck vom bösen Staat. Hier kann ich Röhl sehr gut verstehen, weil hier Verständnis und sogar Sympathie hervorgerufen werden kann. Wenn man mit der Kontroverse vertraut an den Film herangeht, ist er aber ein tolles Stück Zeitgeschichte, auch wenn die zweieinhalb Stunden für den dargestellten Zeitraum zu knapp bemessen sind. Im nächsten Jahr soll allerdings eine verlängerte Fassung im Fernsehen laufen, vielleicht wirkt dann manches weniger hektisch abgespult.

Auf jeden Fall beziehen die Filmmacher eindeutig Stellung gegen die RAF, was auch die Schlussworte „Hört auf sie so zu sehen, wie sie nicht waren“, gesprochen von Brigitte Mohnhaupt, unterstreichen, aber die Art und Weise der Darstellung ist eben problematisch, auch wenn bei den Schah-Protesten schiefgegangen ist, was schiefgehen konnte. Ich kann den Film dennoch empfehlen (auf der Leinwand wirkt das Gesehene ganz anders), wenn man sich z.B. im Anschluss an Röhls harsche Kritik ein eigenes Bild macht. Das habe ich nämlich mit meinen Schülern gemacht und ich freue mich auf die nächste Stunde, wenn wir über unsere Eindrücke sprechen können.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

6 Kommentare

  1. Sehr passende Filmbeschreibung.
    Sympathieträger gab es für mich nicht in diesem Film. Ob es sich lohnt, anschließend noch das Buch zu lesen? Gerade anfangs ging vieles so schnell, dass ich ein wenig den Überblick verloren hatte.

  2. Alex, du hast mir mit deinem Eintrag aus der Seele gesprochen! Genau der Meinung war ich nach dem Film auch, als ich mit den Kollegen drüber diskutiert hab.

  3. Heute habe ich eine der letzten Gelegenheiten genutzt, den BMK im Kino zu sehen und ich habe jetzt noch die Bilder im Kopf. Den Film für Zwölfjährige freizugeben, finde ich eine Spur zu großzügig. Mir hat der Film auf jeden Fall gut gefallen und er hat mich die Zusammenhänge vieler einzelner Ereignisse erkennen lassen.

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