Deutschland am Abgrund

Deutschland scheint es echt toll zu gehen. Keine Probleme, keine Arbeitslosen, keine toten Soldaten. Fast wie im Sommerloch. Wie toll, dass man endlich der Politik-Lichtgestalt mal richtig ans Bein pissen kann. Dr. Karl Theodor zu Guttenberg hat in seiner 2007 abgeschlossenen Dissertation mehr als schlampig gearbeitet und Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens völlig außer Acht gelassen. Erst jetzt kommt jemand darauf, dass ganze Passagen offenbar ohne Quellenangabe, teilweise auch leicht verändert, übernommen wurden und schon kriechen alle aus ihren Löchern, um mit an Karl Theodors Bein zu pinkeln. Deutschlands derzeit beliebtester Politiker hat endlich einen richtigen Makel, den man ihm mit Afghanistan und spätestens mit der Gorch Fock anhängen wollte.


Bildschirmfoto: Spiegel-Online (18.02.2011)

Vorübergehend werde er seinen Doktortitel nicht mehr führen, hat er gestern verlauten lassen, er wolle warten, bis die Vorwürfe untersucht worden sind. Am besten, er legt ihn ab und sagt, dass er ein schlechter Wissenschaftler ist. So würde er zeigen, dass er Eier hat und die Sache wäre wahrscheinlich recht schnell vergessen und seine Glaubwürdigkeit leidet nicht. Sein Briefpapier muss er dann halt ändern, ebenso seinen Pass, aber er nimmt denen den Wind aus den Segeln, die glauben, jetzt endlich das Bein gefunden zu haben, das sie zu Guttenberg stellen müssen, damit der mal auf die Fresse fällt und am besten erstmal weg vom politischen Fenster ist. Wenn er schlecht gearbeitet hat, hat er auch seinen Titel nicht verdient.

Keine Frage, Abschreiben ist schlecht. Das fängt in der Schule an und hat dort Folgen, wenn es rauskommt, an der Uni hat das dann weitreichendere Folgen und wenn es eben nicht nur eine Seminararbeit ist, sondern die Diplom-, Zulassungs- oder Promotionsarbeit, dann muss man auch diese Folgen tragen. Wissenschaftliches Arbeiten hat eben einen gewissen Anspruch. Vorschnelle Bagatellisierungsversuche seiner Parteifreunde sind zwar nett gemeint, sind aber mit Sicherheit kontraproduktiv, wenn es um die wissenschaftliche Sache geht, für die schon Schüler sensibilisiert werden sollen. Dass jetzt aber richtig in der Scheiße gewühlt wird und plötzlich jeder Nerd meint, mitwühlen zu müssen, ist dann doch lächerlich. Da wird jetzt z.B. für das GuttenPlag-Wiki fleißig gegoggelt, obwohl der Horizont der selbst ernannten Plagiatsjäger wahrscheinlich oft nicht weiterreicht als der Wikipedia-Eintrag, der ja so viel Wissen Information liefert. Oder sind das alles Juristen bzw. Akademiker, die jemals wissenschaftlich gearbeitet haben? Auch Journalisten sind hier ganz groß im Prügeln, obwohl sie sich mal an die eigene Nase packen sollten, wenn Hintergrundinformationen immer wieder verdächtig dem Wikipedia-Eintrag ähneln. Weiter reicht wohl auch deren Recherche-Horizont nicht. Wer hier ohne Schuld ist, der soll den ersten Stein werfen. Das steht übrigens im Neuen Testament.

Während in Afghanistan Soldaten sterben und das die Hauptsorge des Verteidigungsministers sein dürfte, ist dessen wissenschaftliches Arbeiten Hauptthema in den Nachrichten und in der nächsten Woche Thema im Bundestag, schließlich will die Opposition ihren Nutzen ziehen und zu Guttenberg stürzen sehen. Die Hartz-IV-Sätze, die toten Soldaten, die Revolten in Nordafrika und im Nahen Osten und andere weniger wichtige Themen müssen solange warten.

Den Spiegel-Titel finde ich super. Das ist mal eine Überschrift!

[Nachtrag 21.02.2011, 21.16 Uhr] Und er hat Eier. Er gesteht schwere Fehler ein und verzichtet dauerhaft auf seinen Doktortitel.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

12 Kommentare

  1. da werf ich doch gerne den ersten Stein:

    Wer sich mit einer solchen Dreistigkeit ein „summa cum“ ergaunert (was allerdings zum Großteil wohl an der Uni Bayreuth liegt), der hat verdient, dass ihm gehörig ans Bein gepisst wird.
    Verteidigungsminister darf er gerne bleiben, „tarnen und täuschen“ gehört ja in der Bundeswehr dazu.

  2. Als Wissenschaftler hat er versagt und muss die Konsequenzen tragen, sonst wird die Wissenschaft mit Füßen getreten. Die Uni Bayreuth hat das „Summa cum laude“ verliehen und sollte sich mal fragen, warum. Die, die ihm jetzt aber politisch ans Bein pissen wollen, tun das, weil sie lange darauf gewartet haben, um ihm endlich mal ein Bein stellen zu können. Daraus ein solches Politikum machen, ist lächerlich, da Gutti nicht als Dr. jur. sein Ministerium leitet. Soll er seinen Titel ablegen und sein Gesicht wahren.

  3. Das hat er durch sein erstes Dementi eigentlich schon verpasst.
    Wenn er aber wirklich den wissenschaftlichen Dienst für seine Diss engagiert hat, ist das schlicht und einfach Amtsmissbrauch, und dann ist es zu Recht ein Politikum.

  4. Sind Sie wirklich der Auffassung, dass hier kein Vorsatz vorlag? Das ist scherzhaft gemeint, oder?

  5. Wenn 21 % Prozent eines Textes Plagiat sind, ist es ein kühnes Unterfangen, Vorsatz zu unterstellen? Meinen Sie das Ernst?

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