Dummschwätzer

„Dummschwätzer“ muss nicht zwangsläufig eine „ehrverletzende Schmähkritik“, sprich eine Beleidigung sein. Es kommt auf die Umstände an. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Mit was sich Gerichte herumschlagen müssen, ist schon toll. Was das Gericht aber in seiner Urteilsbegründung, warum „Dummschwätzer“ nicht unbedingt eine Beleidigung ist, betrieben hat, grenzt schon beinahe an das, was ich in der Sprachwissenschaft während meines Studiums getan habe. Dort hätte ich nämlich auch „Dummschwätzer“ so paraphrasiert, dass das eine Person ist, die dummes Zeug schwätzt. Dass dies keine generelle Feststellung in der Form ist, dass das unumstößlich jeden Tag so sein muss, drückt das Wort nicht aus, es ist vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen ein Determinativkompositum, das die Äußerung eines Menschen bewertet. Beide Wortbestandteile sind pejorativ, d.h. abwertend, beides bezieht sich aber in meinen Augen auf das Gesagte, weniger auf den Sagenden, den man ja nur als Schwätzer bezeichnen kann, wenn er schwätzt, in diesem Fall ausschließlich Dummes. Dass der Schwätzer dumm ist, wird nicht gesagt, sonst wäre es ein „dummer Schwätzer“. Ein kluger Scheißer ist schließlich auch etwas anderes als ein Klugscheißer.

So ähnlich hat sich auch das Gericht ausgedrückt, auch wenn Juristen in ihrer Ausdrucksweise zu noch skurilleren Formulierungen neigen als Sprachwissenschaftler. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es

wenn ohne sachlichen Anlass ausgedrückt werden soll, dass es sich bei dem Betroffenen um einen Menschen handele, der ausschließlich Dummheiten zu äußern in der Lage sei und daher als Teilnehmer an einer sachlichen verbalen Auseinandersetzung von vornherein ausscheide. Anders liegt der Fall aber, wenn sich das Schimpfwort nur als die sprachlich pointierte Bewertung im Kontext einer bestimmten Aussage des Betroffenen darstellt, wenn also der Gemeinte als „Dummschwätzer“ tituliert wird, weil er nach Auffassung des Äußernden (im Rahmen einer Sachauseinandersetzung) dumme Aussagen getroffen hat. Welche der beiden Verwendungsweisen vorliegt, hängt aber gerade von den Umständen des Einzelfalles ab.

Es geht also darum, dass man jemanden nur dann straffrei als „Dummschwätzer“ bezeichnen darf, wenn sich der Ausspruch auf eine konkrete Äußerung bezieht, die pointiert bewertet wird. Ob diese verbal sein muss oder ob sich die Bezeichnung „Dummschwätzer“ auch auf Geschriebenes im übertragenen Sinn beziehen kann, hat das Gericht nicht mitgeteilt. Auf manch einen gescheiten Reporter, Journalisten oder Experten im Nahost-Konflikt könnte dieser Ausspruch zutreffen, wenn man sich auf deren Aussagen bezöge. Ich verbleibe aber mal lieber im Konjunktiv…

Dumm dürfte dagegen der Urheber dieser – in diesem Fall lustigen – Äußerung sein, die ich bei Henryk M. Broder gefunden habe. Tod allen Apfelsäften!!!!

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“