Langsam nervt diese Marketing-Kampagne der Dortmunder richtig. „Echte Liebe“ hier, „Echte Liebe“ dort, ganz so, als ob der BVB allein von der Liebe seiner Fans zum Verein lebt. Es scheint regelrecht so, als seien die Dortmunder Fans die einzigen, die ihren Club wirklich lieben, auch wenn er verliert. Gerade in den letzten Wochen seit Bekanntgabe von Mario Götzes Wechsel zum FC Bayern wird dieses scheinheilige Image mehr als strapaziert, vor und nach dem CL-Finale wurde nochmals richtig nachgelegt. Hier die armen Malocher beim Arbeiterverein, die schwer schuften und ihre ganze Liebe dem Verein widmen, dort die Erfolgsfans beim superreichen Schnöselclub.
Zum allem Überfluss hat Strahlemann (aber nur, wenn er gewinnt) Jürgen Klopp dem Guardian ein Interview gegeben, das von Sponsor Puma arrangiert wurde, aber für Klopp sicherlich nur eine Herzensangelegenheit war. Um die englischen Fans im Vorfeld des deutschen CL-Finales in Wembley auf seine Seite zu ziehen, vergleicht er die Bayern erst mit den Bond-Bösewichtern, dann zieht er noch den Vergleich mit Real Madrid, weil sich die Bayern bei seinem Verein wie im Supermarkt bedienten, nur weil sie das Geld dazu haben. Im Vergleich dazu müsse Dortmund jedoch seriös und vernünftig arbeiten. Genug Spieler sind schon weg, der Wechsel von Götze sei ein Schock gewesen und Klopp drückt auf die schwarz-gelbe Tränendrüse. Selbst ich hatte feuchte Augen. Hat denn unser einstiger TV-Bundestrainer vergessen, dass vor einem Jahr Marco Reus für fast 20 Millionen Euro zum BVB gekommen ist? Er hatte wie Götze eine Ausstiegsklausel, der BVB kam und natürlich ist der Gladbacher Reus nur zu Dortmund gekommen, weil er schon als Säugling in BVB-Bettwäsche geschlafen hat. Und mitten im Gejammer von Joachim Watzke wegen Götze und vielleicht auch Lewandowski wagen es die Leverkusener Verantwortlichen, sich über das Dortmunder Verhalten zu beschweren, weil die den fast sicheren Wechsel des Bremers Sokratis an den Rhein noch verhindert haben. Sauerei! Sokratis spielt bald in Dortmund, natürlich auch nur, weil er dort von der echten Liebe der Fans besser leben kann. Mit Marco Reus hat Dortmund den Gladbachern den besten Spieler wegverpflichtet, aus Nürnberg kam Gündogan natürlich nur wegen der viel tolleren Fans, die ihren Verein so richtig echt lieben. Heuchelei ist das, was Klopp, Watzke und Co. da machen, nichts anderes. Sie machen es nicht anders als die Bayern, auch die Dortmunder haben schließlich schon angekündigt, in den nächsten Wochen mehrere große Transfers zu tätigen. Natürlich kommen ausschließlich Spieler, für die der BVB die „echte Liebe“ ist, denen auch die Tränen kommen, wenn sie an Kagawa und Götze denken, und die auch Herzattacken beim nächsten Spielerwechsel weg vom BVB bekommen wie Jürgen Klopp. Geld? Nicht doch, nicht beim BVB. Die haben zwar das Geld aus dem Götze-Transfer und die Millionen aus der CL, aber zum BVB kommen die Spieler nur aus echter Liebe.
Überhaupt ist der Vergleich mit Real eine Unverschämtheit, weil nicht Bayern München musste vor etwas mehr als einem Jahrzehnt durch Bürgschaften und zugedrückten Augen gerettet werden, es war der BVB, der sich finanziell mehr als übernommen hatte. Nach dem CL-Titel 1997 und dem größenwahnsinnigen Börsengang ging es noch größenwahnsinniger und weder seriös noch vernünftig steil bergab, der glückliche Meistertitel 2002 war nur noch ein kurzes Aufbäumen. Da wurden Mega-Transfers getätigt und mit Geld herumgeworfen, als gäbe es kein Morgen. Hat nicht damals sogar der FC Bayern den Dortmundern geholfen, den Kopf gerade noch aus der Schlinge zu ziehen? Real darf sich bis heute hoch verschuldet über Wasser halten, mal eben wurde dem Club für teures Geld das Trainingsgelände abgekauft. Die Steuerschulden in Spanien? Nebensache. Das Land NRW ist auch bei Dortmund großzügig gewesen. Bayern München hat diese Probleme nie gehabt und darf sich jetzt solche Vorwürfe aus Dortmund anhören? Ein Witz. Es soll doch jeder am besten vor seiner eigenen Haustüre kehren, vor allem dann, wenn man selbst keine Spur besser ist. Dortmund ist genauso ein Unternehmen wie der FC Bayern, bei beiden geht es um Profit, neben dem Sportlichen. Beim BVB sogar noch deutlich mehr, schließlich ist man das seinen Aktionären schuldig. Oder nicht? Haben die nur aus echter Liebe Aktien gekauft. Beim derzeitigen Kurs scheint das sogar so zu sein.
Die schwarz-gelbe Folklore-Attacke scheint aber auch in manchen Journalisten-Hirnen Wirkung gezeigt zu haben: bei Plasbergs „hart aber fair“ wurde es schon vor der Sendung mehr als unsachlich, „Festgeldkonto schlägt echte Liebe – was lehrt uns der Bayernsieg?“ wurde da blöder als blöd als Thema  formuliert. Die blasen da ins gleiche lächerliche Horn, obwohl sich beide Clubs heute auf Augenhöhe begegnen, was seriöse Vereinsführung angeht. Mitten im hoch verschuldeten Fußball-Europa haben letzten Samstag zwei deutsche Clubs das CL-Endspiel bestritten und die Schulden-Clubs aus Spanien, Italien und England zuvor locker abgehängt. Eine großartige Tatsache. Stattdessen wurden in der peinlichen Sendung alte Klischees bedient und das Bild vo einem Klassenkampf überstrapaziert, den es gar nicht gibt. Im Gegenteil.
Dieses folkloristische Getue um die echte Liebe ist Fan-Marketing vom Feinsten, ganz so, als gäbe es das nur beim BVB und schon gar nicht beim FC Bayern, wo sich ja nur Erfolgsfans tummeln. Welcher echte Fußballfan liebt nicht seine Mannschaft? Und Erfolgsfans hat Dortmund nicht weniger als die Bayern, gerade nach den letzten beiden Jahren. Erfolg macht immer attraktiv. Oder warum hatten Stuttgart und Hoffenheim zwischendurch plötzlich so viele „Fans“? Die gibt es überall. Das musste mal gesagt werden. Und die passende Antwort hat der FCB ja am Samstag gegeben! Der ruhmreiche FC Bayern ist wieder CL-SIEGER!!!!!!