Ein Ehrenkodex bei der Tour

Aha, beim Thema Toursieg gilt also plötzlich wieder ein Ehrenkodex unter den Profis bei der Tour de France, beim Thema sauberer Sport bekanntlich weniger. Die Tour wird bei der vorletzten Etappe gewonnen, die letzte Etappe wird für den Träger des Maillot Jaune zur Course d’Honneur, zur etwas längeren Ehrenrunde auf dem Weg zum Ziel auf der Champs-Élysées, wo das gelbe Trikot nicht mehr angegriffen wird, wie besagter Ehrenkodex besagt. Habe ich nicht noch vor oder nach unserer Würzmischung zu Biffo gesagt, jetzt könnten sie auch am Sonntag den Contador attackieren, ich fände das sogar ausgesprochen gut, nachdem auch dem diesjährigen Toursieger Verbindungen zum Blutarzt Fuentes nachgesagt werden. Aber sie tun es nicht. Cadel Evans hat nach dem gestrigen Zeitfahren nur noch 23 Sekunden Rückstand, eine Attacke auf den dopingverdächtigen Führenden wäre da doch ein echtes Signal, aussichtsreich natürlich sowieso; ein paar Zeitgutschriften hier plus etliche Sekunden Vorsprung dort, fertig. Auf jeden Fall besser, als wenn nachher vielleicht einige kurz vor der Zeillinie absteigen, um die Tour aus Protest offiziell gar nicht zu beenden. Die werden dann am Ende noch belächelt werden, weil sich lediglich die französischen und deutschen Teams dem Kampf gegen Doping verschrieben haben. Cadel Evans fährt für das belgische Team Predictor-Lotto, der Dritte Levi Leipheimer wie Contador für Discovery Channel, da hat also niemand etwas Außergewöhnliches zu befürchten. Schade eigentlich.

Das, was Astana-Fahrer Andreas Klöden bezüglich der positiven Dopingtests geäußert hat, hört sich für mich übrigens ziemlich plausibel an, auch wenn es natürlich abenteuerlich anmutet, dass ganz bewusst von Dritten manipuliert worden wäre. Dem nun auch in der B-Probe ertappten Dopingsünder Alexander Winokurow wurde zuvor immer wieder mal Doping unterstellt, bewiesen werden konnte ihm aber nichts, bis zum letzten Dienstag, da wurden in der A-Probe Spuren von Fremdblut gefunden. Ich kann das nachvollziehen, wenn Klöden meint, niemand könne so dumm sein und während der Tour mit fremden Blut experimentierten, wenn er genau wüsste, dass streng kontrolliert wird. Nun werden zwar in der Regel nach dem Rennen Urinproben genommen und nur in seltenen Fällen auch Blutproben, mit diesem Risiko zu spielen wäre dann tatsächlich äußerst dumm, zumal sehr viel auf dem Spiel steht, die Karriere, viel Geld und nicht zuletzt der Ruf. Auch Klödens Teamkollege Matthias Kessler wurde zwischen zwei Rennen (!) getestet, heraus kam ein unglaublich hoher, nie zuvor gemessener Testosteron-Wert. Was Biffo am Freitag bezüglich der rivalisierenden Verbände gesagt hat, lässt eine Verschwörung und bewusste Manipulation nicht gerade abwegig erscheinen. Wenn jemand die Tour kaufen will, so billig und wertlos wie heuer war sie wohl nie zuvor.

Dann erneuert mal die Tour! Aufrichtig. Ernsthaft. Rücksichtslos. Für den Radsport. Es kann nur besser werden. Wenn man es nämlich so sieht wie Jörg Schallenberg in SpOn, dann war diese Katatrophentour wirklich das Beste, was dem Radsport passieren konnte, damit der Reinigungsprozess beginnen kann.

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Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

3 Kommentare

  1. Nun also Contador. Angeblich hat er ja einem DNA-Vergleich zugestimmt, der u.U. seine Unschuld bzgl. Fuentes darlegen kann. Solange muß man abwarten. Fest steht dennoch: für einige der Topfahrer sollte man wohl besser keine Hand ins Feuer legen. Ehrenkodex hin oder her. Und, mit Verlaub, Klödens raunende Verdächtigungen von gestern sind das allerletzte… klar, es geht nicht um Generalverdächtigungen und man darf nicht mit dem Zinger auf jeden zeigen, der auf dem Sattel sitzt, aber hier so einen Blödsinn quatschen („Was ist, wenn mir jemand was über den Salat kippt….“) ist einfach nur noch dreist.

    Gleichzeitig gibt es durchaus positive Signale in Richtung konsequentes Antidopingsystem seitens einiger Rennställe… die UCI und manch andere Betonköpfe scheinen aber die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt zu haben.
    Für alle, die es interessiert: auf meinem Blog habe ich skizziert, mit welchen Maßnahmen man möglicherweise den Weg in eine positive Zukunft des Radsports ebnen könnte… hier: „Die Rettung des Radsports aus den Klauen des Dopingmonsters“

  2. So wollte ich das natürlich nicht verstanden wissen, dass ich Herrn Klöden in allem folge und zustimme. Ich stimme ihm nur bei, dass es saudumm wäre, in solch dreister (und zugegeben auch ungeschickter) Weise zu dopen (wenn es ein Geschick zu würdigen gäbe). Der Manipulationsverdacht ist, wie ich geschrieben habe, in der Tat abenteuerlich, aber völlig von der Hand zu weisen sind solche Dinge eben nicht. Wie immer, wenn es um viel viel Geld geht. In ruhigeren Zeiten wäre ein solcher Hinweis sicher anders aufgenommen worden.
    Wenn Contador den Bluttest wirklich machen sollte und seine Unschuld erwiesen wäre, dann Herzlichen Glückwunsch.

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