Eine Nacht auf der Talavera

Während überall viele Narren Fasching gefeiert haben oder andere aufgrund der Kälte daheim vor dem Fernseher hockten, habe ich mir beim Abbau vom Zirkus Flic Flac in der vergangenen Nacht ein paar Kröten verdient; schließlich muss man als Ex-Student irgendwie über die Runden kommen, wenn man noch dazu auf Reisen gehen will.

Die Besucher der letzten Vorstellung tummelten sich noch im Eingangsbereich, wo sich die sowohl freiwilligen als auch unfreiwilligen Helfer sammelten, um pünktlich um 22 Uhr mit den Abbauarbeiten zu beginnen. Berechtigterweise erkundigte sich der Zeltmeister, ob jemand Alkohol getrunken hat. Einer der Halloodris sah schon sehr verdächtig aus, wurde auch direkt angesprochen, konnte aber nicht lange damit überzeugen, dass er arbeitsfähig ist. „Hauch mich mal an“, meinte der Zeltmeister und es reichte für die Verabschiedung. Mit einem maulenden „Hey sorry, es ist halt Fasching“ zog er ab.

Im Hauptzelt stand noch die warme Luft, besser gesagt der Mief, den einige Hundert Menschen in dem ohnehin beheizten Zelt hinterlassen. Auch die Kugel stand noch in der Arena, in der zum Schluss des Programms acht Motorradfahrer gleichzeitig kreisen ohne zu kollidieren. Nebenbei bemerkt war das Programm wieder sehr sehenswert. Da wir Hilfsarbeiter nicht von Geburt an wissen, wie man ein Zirkuszelt auf- bzw abbaut, waren den beiden Hilfsgruppe, in die wir eingeteilt waren (ca. 14), von den Zirkusarbeitern jeweils zwei Mann zugeteilt. Von den Angestellten sprechen die wenigsten Deutsch, aber sie kennen das Wort Kollege. Zunächst wurden die Sitzbezüge eingesammelt und in die Säcke gepackt, die man nur mit Mühe zu viert zum großen LKW schleppen kann. Beim Transport der jeweils Stühle – immer vier oder fünf aufeinander – fand ich auch bald die geeignete Technik, die mir beim Aufbau vielleicht auch manches erleichtert hätte. Die Bretter der Tribüne waren das Lästigste, weil mir beim Tragen dauernd Popcornreste oder Straßendreck durchs Gesicht gerieselt ist – schwer waren die Teile der oberen Ränge außerdem. Wenig spaßig war auch das Tragen der großen Treppen, wo man mit meiner Größe eher die Arschlochkarte hat. In der Zwischenzeit haben die Zirkusarbeiter auch schon alles entfernt, was an technischem Gelump in der Luft hängt oder unter Brettern verborgen lag.

Da das alles irgendwie flotter ging als beim Aufbau, habe ich mich um 01 Uhr schon bald im Bett gesehen. Nö, falsch gedacht. Das Gelände war mit lauter kleinen achteckigen Platten abgedeckt, die auch wieder in ihre Käfige wollten und kein Ende nahmen. Zwischendurch durften wir das große Vorzelt mit abbauen, auch wenn ich mir zunächst nicht vorstellen konnte, wie das funktioniert. Kleine Festzelte hab ich schon öfter aufgebaut, aber das war neu. Mit Wickeln, Pressen, Drücken und Zerren von über 30 Mann, darunter natürlich auch immer einige der Artisten, landete das Zelt am Ende in den riesigen Kisten sowie Schnee in meinem Nacken. Beim Verräumen der Platten hat mich doch tatsächlich einer der Deutsch sprechenden Arbeiter gefragt, ob ich wüsste, wo es hier was zu Rauchen gibt und ob ich rauche. Ich wollte schon sagen, dass er doch den nächsten Zigarettenautomat suchen solle, was er aber sicherlich nicht hören wollte. Er bohrte noch nach, ob ich nicht Freunde oder Bekannte hätten, bei denen er was bekommen könnte, womit ich ihm leider auch nicht dienen konnte. Immerhin war ihm bekannt, dass es hier in Bayern was das betrifft etwas strenger zugeht. Vielleicht hat er in Wetzlar, wo der Zirkus als nächstes sein Zelt aufschlägt, mehr Erfolg als bei mir.

Kurz vor 04 Uhr war dann – für mich dann doch überraschend – Feierabend. Zu dieser Zeit stand dann nur noch das Gerüst vom Hauptzelt mit Abdeckung und – nicht zu vergessen – noch viele blöde Bodenplatten. Der stets leichte Schneefall war auf jeden Fall – trotz der Kälte – angenehmer als das nasskalte Wetter beim Aufbau. Nun bin ich eine Erfahrung reicher, werde aber trotzdem nicht zum Zirkus gehen, nur als Zuschauer.