Fußballübertragungen für Dumme

Habe ich irgendwas verpasst? Wieso sind Fußballübertragungen bei Welt- und Europameisterschaften zu dämlichen Hausfrauensendungen verkommen? Spielt die Zielgruppe – Fußballinteressierte oder wirklich Fußballbegeisterte – keine Rolle mehr? Sind die etwa wichtiger, für die ein Foul ein Foul ist, wenn ihr Lieblingsspieler mit der hübschen Nase auf dem Boden liegt, und sei es nur deshalb, weil er über seine eigenen Füße gestolpert ist und ein Gegenspieler daneben stand? Die, die alle zwei Jahre Fußballfan spielen und Autocorsos nach einem schnöden Vorrundensieg veranstalten, auch wenn noch nichts erreicht, sollten wirklich nicht Maßstab für eine Fußballübertragung sein. Wenn in der ARD Reinhold Beckmann oder Gerhard Delling mit Mehmet Scholl moderiert, hat das ja noch etwas von einem sympathischen Fachgeplänkel, bei dem ich gerne zuhöre. Aber bei Katrin Müller-Hohensteins Gequatsche rollen sich mir inzwischen jedes Mal die Fußnägel hoch, wenn sie Oliver Kahn mit ihren dämlichen bzw. gespielt naiven Fragen löchert. Hat das unser Titan verdient? Nein! Die gute Frau stellt Fragen, man könnte meinen, sie spricht früher oder später auch von „Schalke 05“ und muss dann beim ASS die Segel streichen. Die ZDF-Übertragung am Strand von Usedom ist ein unfreiwillig komischer Abklatsch vom Fernsehgarten, im Grunde genommen könnte Andrea Kiewel auch die paar Sendungen unter der Woche moderieren, die paar schlafenden Rentner in den Liegestühlen merken wahrscheinlich nicht mal, wenn da nicht irgendein Schlagerdödel auf der Bühne steht, sondern nur Olli Kahn, der über Fußball spricht. Oder besser gesagt: der über Fußball zu sprechen versucht. Kurz vor dem Spiel wird – Wie sollte es anders sein? – eines dieser blöden Tierorakel befragt und einem Baby ein Mikrofon unter die Nase gehalten, um aus erster Hand zu erfahren, wer denn nun gewinnt, die Holländer oder doch die Deutschen. Nach dem Spiel muss dann eine Klatschtante 2.0 die ollen Fragen von KHM beantworten, wie denn das Netz über ein Spiel denkt: Ganze 20 Minuten später tut sie so, als interessiere das belanglose Geblubber auf Facebook oder Twitter irgendeinen Fernsehzuschauer, der sich für Fußball interessiert. Vor allem tut sie so, als erführe man tatsächlich etwas Neues. Da ist ja Waldis EM-Club kompetenter in der Spielanalyse, nur nehmen die sich ab der ersten Minute nicht ernst. Aber Twitter ist ja so wichtig, selbst der arme Olli Kahn muss das jetzt machen und das ZDF muss auch noch eine Sensation daraus zu machen. Es ist ja so angesagt.

Überhaupt diese blöden Tierorakel auf allen Kanälen. Kurz nach dem Aufstehen muss man sich auf Bayern 3 ein Geschmarre darüber anhören, was eine verhaltensgestörte Kuh aus welchem Trog frisst, im ZDF werden Möwen gefüttert und, was ich besonders schlimm finde, auf Sky Sport News, ein reiner Sportsender, den ich an sich sehr gerne laufen lasse, wird live übertragen, wie ein beknackter Eisbär eine Kiste mit Flagge leert. Nehmt doch mal eure Zielgruppe ernst, die auch sonst eure Sportübertragungen schaut. Die Tussis, die Lahmi, Schweini oder Mülli süß finden, tun das nach dem Finale wieder für zwei Jahre nicht, auch die Muttis, die Tiere und Kinder süß finden, interessiert Fußball nicht mehr, wenn „nur“ Bundesliga und CL gespielt wird, uns Fußballfans aber schon. Saht uns da ein blödes Viech voraus, wer gewinnt? Nein! Warum nicht? Weil das lächerlich ist. Müssen wir uns trotzdem alle zwei Jahre für vier Wochen fühlen, als wäre Fußball etwas für die ganz Dummen, denen man alles erklären muss? Seit dem blöden Tintenfisch ist doch auch die Tiernummer nicht mehr originell. Und der Moderator einer Sportsendung sollte auch eine gewisse Kompetenz ausstrahlen und nicht darauf beharren, dass ein lascher Schuss, der irgendwo die Grundlinie überquert, auch ein Torschuss oder gar eine Chance ist. Warum hat KHM eigentlich unzählige Preise für ihre Sportberichterstattung bekommen? Über die Kommentatoren könnte man an dieser Stelle eigens einen Blogeintrag loslassen. Da wünsche ich mir Dieter Kürten, Heribert Faßbender oder Gerd Rübenbauer zurück, die haben nicht so ein Gschmarri fabriziert und waren zudem unterhaltsam.

In gut zwei Wochen ist das Affentheater rund um die EM auch wieder vorbei und es wird nicht mehr von allen möglichen Leuten über Fußball geredet, um irgendwie auf den quotenträchtigen Zug aufzuspringen. Dann ist noch ein bisschen Sommerpause und danach beginnt wieder der normale Fußball. Ganz ohne künstlichen Fußball-Hype, der ja bei der Frauen-WM schon gründlich in die Hose gegangen ist.

Immerhin sind die Spiele gut.