Harald

Nicht das 1000. Schaf hieß Harald, sondern der Penner, wie er sich selbst bezeichnete, der sich heute in meiner Freistunde, die ich zum Lesen einer Kafka-Interpretation nutzen wollte, im Ringpark neben mich setzte, um mir für die Dauer einer Zigarette einen Teil seiner Lebensgeschichte zu erzählen. Er kam zu mir, hat sich vorgestellt, war leicht erstaunt, dass ich ihn nicht genervt weggeschickt habe – Sehe ich denn so aus? – und hat erzählt, aber erst, nachdem er mich zusammengeschissen hat, dass ich ihn gefälligst nicht mehr siezen solle. Gesagt, getan, er hat sich neben mich gesetzt und erzählt, davon gesprochen, dass es da draußen jemand gäbe, den er gerne erwischen möchte (davon gibt es mehrere…) und und und. Sein Jagdherren-Pils hat er zwischenzeitlich mal umgekippt und übergperlt, den Rest vorsorglich gleich hinuntergekippt, nur eine „Stulle“ konnte ich ihm nicht geben. Als ich fast schon wieder auf dem Weg zum Arbeiten war, hat er dann auch endlich gefragt, worauf ich schon die ganze Zeit gewartet hatte; und er wurde konkret: Ob ich denn nicht zehn Euro für ihn hätte, schließlich wäre er mir ja nicht scheißegal gewesen. Zehn Euro hatte ich nicht, die hätte er auch nicht bekommen, aber mein Zwei-Euro-Stück für den UB-Spind hat er dann bekommen. Eine gute Tat, auch wenn ich kein Pfadfinder bin.

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Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

8 Kommentare

  1. Der hat mir echt richtig leid getan, aber geschickt eingewickelt hat er mich, das muss ich ihm lassen. Hätte ich ihm nach einer viertel Stunde dann nichts gegeben, wäre es echt assi gewesen.

  2. ich werd mir Mühe geben, vielleicht schaff ichs noch bis Sonntag, dann hätte ich den Kaffee für lau 😉

  3. Ich liebe solche Typen und irgendwie ziehe ich sie an. Da hat mich zum Beispiel vor einiger Zeit einer angesprochen, als ich nach dem Kino noch einen Döner verdrückt habe. Es war ein Engel (nach eigenen Angaben). Seitdem weiß ich auch, dass Engel zwar weder Eis noch Kaffe zu sich nehmen dürfen, aber bei Bier nicht nein sagen.

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