Högschte Dischziplin

Jogi Löw kommt bald in Erklärungsnot, wenn das so weitergeht. Oliver Neuville und Michael Ballack haben die deutsche Mannschaft zwar gestern mit ihren Toren in der 74. und 83. Minute vor einer Blamage gegen Serbien bewahrt, aber dadurch wird wieder einiges, fast zu viel, beschönigt, was bei einer Niederlage oder einem glücklichen Unentschieden vielleicht eher angesprochen worden wäre, auch in der Öffentlichkeit.

Jetzt freuen sich alle über Ballacks Qualitäten als Führungsspieler – er hat gestern auch eine tolle Partie geboten – und jubeln, dass Deutschland das Spiel noch gedreht hat. Dazu gehört zwar eine gute Moral in der Truppe und der nötige Zusammenhalt, der immer beschworen wird, aber um ein Haar hätte es 0-2 gestanden, wenn Bosko Jankovic kurz vor dem Ausgleich nicht nur den Pfosten getroffen hätte, und dann wären die Deutschen sicher nicht mehr ins Spiel zurückgekommen und die Hypothek für die Euro 2008 wäre noch höher gewesen als sie es schon ist. Die WM 2006 macht diese EM nicht zum Selbstläufer, im Gegenteil, die Leistungsdichte ist bei der EM meist höher als bei der WM und Weißrussland und Serbien sollten kein Maßstab sein für mögliche Duelle gegen Portugal, Tschechien, Italien oder Frankreich, vorausgesetzt, wir erreichen das Viertelfinale.

Hoffen wir mal auf den ersten EM-Sieg seit dem Finale 1996. Damit meine ich nicht den Titelgewinn, sondern einen deutschen Sieg bei einem EM-Vorrundenspiel. Das gab es nämlich weder 2000 noch 2004, wo die deutsche Elf jeweils nach besagter Vorrunde sieglos abgereist ist.

Warum setzt Jogi Löw immer und immer wieder auf Christoph Metzelder, dem die Spielpraxis so deutlich fehlt, dass er das kaum kompensieren kann. Jogi fordert immer högschte Dischziplin und högschte Konzentration, anzukommen scheint das aber bei einigen Herren – und damit meine ich nicht nur Metzelder – nicht. Vielleicht hätte Jogi ja selbst mal högscht dischzipliniert seine eigene Philosophie verfolgen sollen und wirklich die besten Spieler spielen lassen sollen, nicht die, denen er ewig dankbar ist wegen des Sommermärchens 2006. Und bitte, bemüht nicht mehr diese abgedroschene Phrase vom Märchen bei jedem Sportereignis. Das geht mir inzwischen auf die Eier.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“