Morgen schließt das Corso – für immer

Das altehrwürdige Corso. Morgen schließt es für immer und aus der Würzburger Innenstadt verschwindet mehr als ein Stück Würzburger Kinogeschichte, da schließt auch ein Stück meiner eigenen Kinogeschichte. Unzählige Stunden habe ich dort verbracht, großartige Filme gesehen und auch die schlimmsten Streifen ertragen müssen. Plötzlich gab es da THX-Sound und Kino wurde zum Erlebnis, als das kleine Männchen im Vorspann mit der Bohrmaschine von links nach rechts und von vorne nach hinten flog, um den Ton zu reparieren, wenn die Titanic versank, wenn Leonardo di Caprio absoff und meine Herzdame hemmungslos schluchzte. Die großen Filme liefen im Bavaria und/ oder im Corso, nach der Modernisierung mit der neuen Tonanlage war mir das Corso richtig ans Herz gewachsen, ab morgen ist es weg. Zu. Die netten Omas, die dort seit Jahren die Eintrittskarten verkaufen, dann entwerten und gleichzeitig noch Bier, Süßigkeiten und Knabberzeug verkauft haben, werde ich vermissen, das hatte so etwas wunderbar Familiäres. Wenn man kurz vor knapp gekommen ist, gab es auch schon mal einen Anschiss.

In der Sneak-Preview liefen im Corso immer besondere Filme. Kein Vergleich zur Cinemaxx-Sneak. Dort laufen einfach Filme, die ein paar Wochen später auch im normalen Programm gezeigt werden. Im Corso kam Schrott, ganz ganz schlimmer Schrott. Die schlimmsten Filme, die langweiligsten Filme, aber dafür auch großartige Perlen, die ich wahrschenlich ohne die Corso-Sneak nie gesehen hätte. Ganz bestimmt nicht im Kino und wahrscheinlich auch nicht im Fernsehen. Ohne eine solche katastrophale Corso-Sneak hätte ich diese Seite sicher später und anders begonnen, Filme wie den großartigen Poppitz würde ich nicht kennen. Große Blockbuster wurden auch vorab gezeigt, waren aber eher eine Seltenheit und gerade dann toll, viele Perlen waren dabei. Claude Chabrol wäre für mich nur ein alter Knacker aus Frankreich, der halt Filme dreht, seit einer Sneak vor zwei Jahren weiß ich, dass ich nie nie nie wieder etwas von dem anschauen werde, weil ich die totale Langweile kennen gelernt habe, Filme mit Vin Diesel verachte ich in ähnlicher Weise.

Aber ich fasse mir auch an die eigene Nase, dass das Corso jetzt schließt, ich bin außer in die Sneak nur noch selten ins Corso, weil es im Cinemaxx oder im Cineworld einfach bequemer und moderner war, die Leinwand größer und der Quadratschädel vom Vordermann nicht mehr so störte. Ein Film mit Überlänge konnte im Corso schon wegen der nicht mehr ganz so bequemen Sitze richtig anstrengend sein und vor die Wahl gestellt, war es dann doch das neuere Kino, Programmkino ist nicht ganz mein Ding, dazu gehe ich auch zu selten.

Schade, dass die Betreiber nicht mehr modernisiert haben, etwas Liebenswürdiges hat es unbedingt, als liebenswürdig werde ich es auch in Erinnerung behalten, aber es war einfach nicht mehr zeitgemäß, die kleinen „Säle“ werden mittlerweile von manchem Wohnzimmer getoppt.

Zum Abschied läuft morgen um 20.30 Uhr der norwegische Film Nord, der mich wohl eher nicht ins Corso locken wird. Auch nicht die anderen Filme. Schade. Einer der Dauerbrenner wäre zum Abschied wirklich toll gewesen, den Rekordfilm Wie im Himmel, der über ein Jahr gelaufen ist, hätte ich mir wohl nochmal im Corso angeschaut. Hätte, wäre, wenn, morgen ist das Corso nach 60 Jahren Geschichte, bald gibt es dort echte Gracelands. Bei Deichmann.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

Ein Kommentar

  1. leider hab ich es nicht mehr geschafft nochmals ins altgediente Corso zu gehn viel zu schade. Die sneaks waren immer ein Renner. Zur Not eben mit Zwischenrufen..war eine tolle Zeit

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