Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, nein, schon vorher, bereits während des absurden Wahlkampfs, war sehr eindeutig, wie sich Journalisten und Politiker hierzulande positioniert haben. Gut, bei den teils absurden Vorhaben Trumps und seinem dämlichen Hang zum Twittern ist das auch nicht schwer. Außer den Polit-Trollen von der AfD hat wohl kein ernstzunehmender Politiker diesen Clown favorisiert. Schlimm, dass Hillary die Gegenkandidatin war. Pest oder Cholera? Jetzt aber ist er gewählt, er wurde vereidigt, jetzt müssen wir, die Journalisten, vor allem aber die Regierungschefs weltweit Trump als Präsidenten akzeptieren, letztere mit ihm zusammenarbeiten. Auch unsere Regierung. Auch die Regierung, die im September gewählt wird. Dauerhaft im Empörungsmodus zu verharren hilft ebenso wenig wie der offene Hass und der Spott, den seit Wochen jeder via Facebook – und wahrscheinlich noch mehr in den anderen Netzwerken, in denen ich aber nicht unterwegs bin – ablassen muss. Gut, die Seite faketrumptweet.com ist wirklich gut:
Jeder Furz Trumps auf Twitter muss zitiert werden, jede Äußerung, jede Maßnahme. Kein Tag mehr ohne Trump, einer muss den anderen an Empörung noch überbieten. Und wenn es darum geht, manches einfach wegzulassen, damit Trumps Entscheidungen noch böser und absurder wirken. Objektiv berichtet wird da nicht. Leider. Nur frage ich mich bei all den Äußerungen der letzten Tage: Hilft es, den plumpen Populismus Trumps mit plumpem Populismus zu bekämpfen? Am besten so, dass es die eigene Parteilinie stärkt und dem politischen Gegner noch so richtig einen mitgibt?
So geschehen am Wochenende: Horst Seehofer gab der Bild am Sonntag ein ausführliches Interview (hier nachzulesen), in dem er gefragt wurde, wie er Trump fände: Man müsse respektieren, dass er in einer demokratischen Wahl gewählt wurde, diesen Respekt vermisse er momentan, sagte Seehofer. Weiter äußerte er sich zu den ersten Arbeitstagen Trumps wörtlich
„Er setzt mit Konsequenz und Geschwindigkeit seine Wahlversprechen Punkt für Punkt um. In Deutschland würden wir da erst mal einen Arbeitskreis einsetzen, dann eine Prüfgruppe und dann noch eine Umsetzungsgruppe. Das bedeutet aber ausdrücklich nicht, dass ich jede Maßnahme Trumps für richtig halte.“
Daraus machte nun Spiegel-Online „Horst Seehofer lobt Donald Trump„, die Rheinische Post titelte genauso, die Süddeutsche sowieso, die Welt schreibt „Horst Seehofer ist von Trump positiv beeindruckt“ und selbst die Tagesschau kann sich eine blöde Schlagzeile nicht verkneifen und schrieb „Nach Seehofers Trump-Lob: ‚Will CSU mit der AfD koalieren'“. Ein gefundenes Fressen für all diejenigen, die zwar eifrig in sozialen Netzwerken umherhüpfen, dabei aber nicht mehr als die Überschriften aufschnappen, um einen Link anschließend ungeprüft und unkritisch weiterzuverbreiten. In den Kassen der Anbieter klingelt es mit jedem Klick, da muss das journalistische Feingespür einfach zurückstecken. Eine diffenzierte und wohl überlegte Überschrift? Wozu? Natürlich wird in den verlinkten Artikeln auch fleißig zitiert, was die erklärten Seehofer-Feinde in ihrer hysterischen Empörung von sich gegeben haben. Claudia Roth durfte mal wieder „Eine Katastrophe!“ sagen, von SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel aus Hessen stammt das dummdreiste Zitat, mit dem die Tagesschau im Titel um Klicks bettelte. Von den anderen Empörungsbeauftragten war Ähnliches zu vernehmen, Katrin Göring-Eckhardt (die völlig demokratisch gewählte Spitzenkandidatin der Grünen) war sich heute nicht zu blöde, auf Facebook Folgendes zu posten:
„Wer Angela Merkel wählt, bekommt Horst Seehofer: Den Mann, der Trump lobt, Orbán einlädt und Putin hofiert.“ (Facebook-Profil, Beitrag am 30.01.17, 12.04 Uhr)
Plattester Populismus. Was ist Göring-Eckhardts Vorschlag? Mit all denen nicht mehr reden, die sie nicht mag? Dann ist Deutschland sehr schnell isoliert. Als Wirtschaftsnation braucht Deutschland seine Außenbeziehungen, diese abzubrechen, würde auch ein grüner Außenminister, den wir schon hatten, nicht wagen. Die richtige Antwort auf diesen Unsinn hat Seehofer schon im oben verlinkten Interview gegeben, für ihn scheiden die Grünen als Koalitionspartner aus. Ich hoffe, das gilt auch im September.
In Sachen Populismus hat dann gestern der von der SPD effektvoll als Kanzlerkandidatmessias inszenierte und beklatschte Martin Schulz bei Anne Will ein neues Kapitel aufgeschlagen, die FAZ sprach gar von einer „Lehrstunde in Populismus“: Erstaunlich, wie der zukünftige Obergenosse offenbar die Politik neu erfinden will, nachdem in den letzten Jahren zu viele Dilettanten am Werk waren. Erstaunlich, schließlich war seine SPD mit der kürzen Unterbrechung durch Schwarz-Gelb (2009-2013) seit 1998 an den deutschen Regierungen beteiligt. Jetzt will der erfahrene Außenpolitiker mit Innenpolitik punkten, selbstherrlich und unangenehm siegessicher drischt er dabei aber nur Phrasen, deren Gehalt gegen Null geht. Er erweckte dabei zunehmend den Eindruck, von all dem sehr wenig Ahnung zu haben. Der Aufschwung in den Umfragen wird nicht ins Kanzleramt führen, wer eine rot-rot-grüne Regierungskoalition anstrebt, hat in meinen Augen sowieso jedes Recht verwirkt, anderen Populismus vorzuwerfen. Die Linke ist nämlich in ihrem Auftreten und ihrem Gebahren eine dunkelrote AfD. Und wenn Göring-Eckhardt bei Seehofer ein Hofieren Putins vermutet, dann stecken einige ihrer angestrebten Koalitionspartner von der einstigen SED bis zum Hals im Allerwertesten des russischen Möchtegern-Zaren. War das jetzt zu populistisch?
Ich bin ja gespannt, wie dieser Bundestagswahlkampf wird.