In Berlin will das Volksbegehren Pro Reli eine Gleichsetzung von verpflichtendem Ethikunterricht und regulärem Religionsunterricht durchsetzen und sammelt dafür Unterschriften, um in einem Volksentscheid die Bürger entscheiden zu lassen. Kinder sollen gleichberechtigt zwischen beiden Fächern wählen dürfen.
Für alle Schüler ab der siebten Jahrgangsstufe wurde vor zwei Jahren der Ethikunterricht verpflichtend eingeführt, wer regulären Religionsunterricht wünscht, kann diesen weiterhin besuchen, allerdings sind das dann zusätzliche Stunden im Stundenplan, irgendwann am Nachmittag. So sollen Schüler den Dialog in der Schule lernen, davon ist zumindest die rot-rote Regierung in der Hauptstadt überzeugt. Getrennter Religionsunterricht für Christen, Juden und Muslime fördere Parallelgesellschaften und Intoleranz.
Wenn der Religionsunterricht staatlich organisiert ist und Lehrinhalte im Lehrplan festgelegt werden, wird genau das vermieden. Was verhindert denn den Dialog? Religiöse Identität gehört dazu, ganz gleich, ob jemand Christ, Jude oder Muslim ist. Alles andere führt zu einem belanglosen Einheitsbrei, der die Religion mehr und mehr aus der Schule und dem Leben verdrängt. Wie soll man einen Dialog führen, wenn von von seinem eigenen Standpunkt nur Wischwaschi-Wissen hat? Gerade der Religionsunterricht macht die eigene Religion erfahrbar und versucht Schritt für Schritt, die Kinder an diese Tradition heranzuführen, ohne dabei den Blick auf die gemeinsamen Wurzeln zu verlieren. Das fängt – am bayerischen Gymnasium – in der fünften Klasse mit Abraham an und hört in der Oberstufe mit interreligiösem Dialog auf. Und fächerübergreifenden Unterricht gibt es ja auch noch.
Bin ich froh, dass ich in Bayern leben und unterrichten darf.
Ich bin da völlig anderer Meinung. Ich halte es für sehr bedenklich, dass die Kirche entscheiden darf, wer in Bayern Religion unterrichtet und wer nicht und das diese Entscheidung auch davon abhängt, ob die Lebensumstände dem Diktat der Kirche folgen. Ich bin zwar selbst kein Religionslehrer aber habe im engsten Familienkreis jemanden, der sich mit der Missio wegen Kleinigkeite herumschlagen muss. Ich finde in der heutigen Zeit muss es reichen, allgemeine Werte zu vermitteln, verbunden mit Hintergrundwissen zu unserer abendländisch und durchaus christlich geprägten Kultur. Das bedeutet für mich Unterricht, der nicht missionierend wirken möchte (und das fängt ja schon beim Gebet am Anfang der Stunde an und geht je nach Persönlichkeit des Lehrers manchmal SEHR weit), sondern SACHLICH über alle Religionen informiert, wobei durchaus eben ein Schwerpunkt auf dem Christentum liegen kann, da es die Grundlage für unsere Kultur ist. Gemeisame Kirchengänge am Anfang und am Ende des Schuljahres sowie Weihnachtsgottesdienste haben da keinen Platz. Und schon gar keine Missio.
Wasser predigen und Wein trinken? Ich denke, die Regelung mit der Missio ist nicht verkehrt, das spielt hier aber im Grunde auch nicht die Rolle.
Warum soll es reichen, allgemeine Werte zu vermitteln? Die meisten dieser Werte haben ihren Ursprung in der christlichen Botschaft. Unterricht will gar nicht missionieren, auch das Morgengebet ist kein solcher Versuch, da niemand gezwungen ist mitzubeten, aber die Achtung vor religiösen Werten gehört zum Unterrichtsauftrag dazu.
Warum soll ein gemeinsamer Gottesdienst keinen Platz im Schulleben haben? Auch dieser ist keine Pflchtveranstaltung.
Na klasse, ich stell mir grad (als Berliner) vor, wie im schönen bayerischen Hinterland ein kleiner Zugezogener aus Berlin in Reli sitzt und sich weigert am Gebet teilzunehmen, weil er nicht (christlich) gläubig ist. Dass er da nicht nur von seinen Mitschülern komisch angeschaut werden dürfte, erscheint, zumindest mir, offensichtlich…
Das aktuelle Berliner Modell halte ich gerade für den richtigen Weg. Einerseits kein Zwang (aber die Möglichkeit!) sich für einen Religionsunterricht zu entscheiden und andererseits die Verpflichtung, sich mit Religion und Ethik gemeinsam auseinanderzusetzen.
Auf jeden Fall besser als in meiner Schulzeit, als 90% meiner Mitschüler weder Reli noch Lebenskunde (das „weltliche“ Gegenstück des Humanistischen Verbandes) besucht haben und somit so gut wie nichts mit Religionen zu tun hatten.
Kleiner Nachtrag…
59% der Berliner sind laut der Wikipedia konfessionslos. Das sollte in dieser Diskussion nicht vernachlässigt werden!
Ich arbeite in Oberbayern und stelle es jedem frei mitzubeten. Dass dabei alle (auch in der höheren Klassen) stehen, ist völlig normal, es wird also keiner in dem Sinne bloßgestellt, wie du glaubst.
Die Möglichkeit ist doch nur ein Schein. Welcher Schüler kommt denn bei der normalen Belastung noch irgendwann am Nachmittag zum freiwilligen Reli-Unterricht?
Ich habe erst nachgedacht, ob ich auf die Situation im Osten der Republik eingehen soll, letztlich geht es aber ja nur um die freie Wahlmöglichkeit, dass Schüler, die konfessionellen bzw. regulären Reli-Unterricht wollen, nicht zusätzlich kommen müssen, sondern Ethik dadurch ersetzen können.
Würdest du es zulassen, wenn ich aus religiösen Gründen den Raum verlassen möchte, während ihr betet?
Zu meiner Zeit gab es auch Leute die freiwillig Freitags um vier zu Reli gegangen sind. Auch ich, obwohl ich mit Religion und Kirche wenig anzufangen weiß, aber mich das ganze interessiert hat. Wer wirkliches Interesse hat, wird das auch weiter zu Reli gehen.
Reli zum Wahlpflichtfach zu erheben halte ich für den falschen Weg. Zumal ich gerade die freiwillige Beteiligung ohne Noten in kleinen Gruppen angenehm fand. Frontalunterricht in Klassen mit 30 Schülern kann das nicht mehr leisten.
Wäre nur dann sinnvoll, wenn man sich auch darüber unterhält, ob man in Bayern die Möglichkeit bietet, Reli durch Ethik zu ersetzen oder?
In Bayern können Schüler wählen, da ist keiner zum konfessionellen Unterricht verpflichtet. Verpflichtend ist nur eines der beiden Fächer, Reli oder Ethik.
Achso, das wusste ich nicht. Sorry.
Nun ich denke trotzdem, dass ein nicht konfessioneller Unterricht zum gemeinsamen Dialog aller sinnvoller ist (vonwegen Dialog innerhalb von und zwischen Glaubensgemeinschaften).
Natürlich hängt da auch viel vom Lehrer ab. Ich hatte evangelischen Reliunterricht und meine Lehrerin wirkte auch immer eher neutral auf mich. Bei streng gläubigen Lehrern kann ich mir schon vorstellen, dass sehr teilweise einseitige Ansichten vetreten und verbreitet werden…
Nein, das würde ich nicht zulassen, weil die „Achtung vor religiöser Überzeugung“ im BayEUG ausdrücklich (Art. 1) als Bildungs- und Erziehungsauftrag genannt ist. So schlimm ist kein Morgengebet, dass sich da jemand in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühlen könnte. Ist es ein muslimischer oder andersgläubiger Schüler, kann er das Gebet genauso anhören, ist der Schüler konfessionslos oder atheistisch, muss er die religiöse Überzeugung anderer achten (lernen).
Ich bin auch überzeugt, dass die kommen, die wirklich Interesse haben, aber warum sollen sie verpflichtenden Ethikunterricht besuchen?
Einem Dialog steht ja nichts im Wege, gerade in der höheren Klassen ist das dann sicher äußerst interessant. Dafür braucht es aber ein Fundament, um diesen Dialog überhaupt führen zu können.
Der Lehrplan gibt auch streng gläubigen Lehrern den Rahmen vor, die eigenen Ansichten muss man da zurückhalten können, ansonsten ist man in meinen Augen fehl am Platz.
Also gut, vorhin habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt. Ich habe nicht prinzipiell was gegen den Schulgottesdienst. Ich denke, das muss man so sehen wie den Lesewettbewerb bzw. die Lesenacht in Deutsch oder die Bundesjugendspiele in Sport. Auch das Morgengebet sollen die Religionslehrer meinetwegen halten, wenn ich den Deutschunterricht mit fünf Minuten Vorlesezeit anfängen möchte, ist das auch meine Entscheidung.
Mich stört vielmehr das Selbverständnis des Faches, dass m.E. auch in deiner Antwort auf meinen ersten Kommentar durchscheint:
„Warum soll es reichen, allgemeine Werte zu vermitteln? Die meisten dieser Werte haben ihren Ursprung in der christlichen Botschaft.“
Das ist faktisch sicherlich richtig, aber das erklärt nicht, warum der Unterricht nicht im Sinne theologisch und nicht im Sinne einer objektiven „Religionswissenschaft“ ablaufen kann. Und Tatsache ist – Lehrplan hin oder her – dass der Religionsunterricht und die Religionsfachschaft an den Schulen, die kenne, immer diesen missionarischen Unterton hatte. Du bist doch jetzt am Ende deines Einsatzes, du weißt doch, wie das in der Praxis mit der Lehrplanauslegung läuft, vor allem mit dem vagen G8-Lehrplan.
Extremstes Beispiel dafür ist mein eigener Religionslehrer in der fünften Klasse, der uns damals montags über das Sonntagsevangelium abgefragt hat, um abzuprüfen, ob wir denn auch in der Kirche waren. Ob und wie er das benotet hat, weiß ich nicht, ab stell dir mal den Druck vor, den das auf einen 10-Jährigen ausübt.
Und die Missio spielt da durchaus eine Rolle. Warum dürfen Pfarrer an der Schule unterrichte, obwohl sie kein Lehramt studiert haben? Warum darf die Kirche entscheiden, dass ein Lehrer, der nur standesamtlich geheiratet hat, nicht Religion unterrichten darf? Weil er die christlichen Werte nicht vorlebt? Ist das keine Missionierung?
Warum ist Religion überhaupt das einzige Fach, bei dem eine schulfremde Institution Kontrolle ausüben darf? Sollte dann nicht konsequenterweise das Institut für deutsche Sprache überprüfen, ob der Deutschlehrer in seinen emails auch die Groß- und Kleinschreibung einhält? Oder sollte das amerikanische Außenministerium dafür sorgen, dass der Englischlehrer auch die amerikanische Politik entsprechend zu würdigen weiß? Ich sehe einfach die Sonderrolle der Kirche nicht. Ich sehe aber durchaus die Sonderrolle des Christentums als Grundlage unserer Kultur, deshalb bin ich für einen vermittelnden, objektiven Sachunterricht, der nicht die nächsten Ministranten rekrutieren soll.
Sorry, noch eine Ergänzung zu deiner Aussage: „Wasser predigen und Wein trinken?“ in Bezug auf meine Missio-Kritik:
Du sollst eben im Unterricht GAR NICHT predigen, deshalb kannst du also trinken, was du willst, um bei dem Bild zu bleiben.
Ich will nicht die nächsten Ministranten rekrutieren und frage auch nicht über das Evangelium von Sonntag ab, ich hoffe, dass das heute keiner mehr macht, denn die Zeiten, in denen Würdenträger Angst und Religion „wunderbar“ in Einklang gebracht haben, sind hoffentlich längst vorbei. Einen solchen Pfarrer hatte ich in der Grundschule auch als Lehrer und vor dem hatte ich so große Angst, dass ich da gar nicht mehr hinwollte.
Der katholische Religionsunterricht – dafür kann ich ja nur sprechen – ist im Konkordat geregelt. Der Staat bildet die Lehrer an den Unis aus, bezahlt sie als Lehrer, aber geschickt werden sie (Missio = Sendung) von der Kirche, die wir als Instanz hinter uns haben. Auf diese Weise wird ja geregelt, dass nicht irgendetwas Religiöses unterrichtet wird, sondern dass katholische Kinder die katholische Lehre auch im Unterricht vermittelt bekommen. Weder doktrinär noch missionarisch. Ich betrachte meinen Unterricht immer als Angebot.
Wenn das nur noch im Sinne einer Religionswissenschaft unterrichten würden, würde doch der Glauben völlig herausfallen, wenn über Gott und Religion nur noch wie über eine Sache gesprochen würde.
Ich würde den Lehrplan auch nicht als vage bezeichnen, er lässt mir als Lehrer sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten, die ich auch nutze.
Warum Pfarrer an der Schule einfach unterrichten dürfen… das kann ich nicht beantworten, dass das pädagogische Obergurken dabei sind, ist unbestritten, andere machen das dafür richtig gut.
Christliche Werte sollte man doch vorleben, um Vorbild sein zu können. Ich fand das Gespräch mit dem Schulreferenten eigentlich sehr nett, anschließend hatte ich meine Missio. Ich stehe als Relilehrer im Dienst der Kirche, von daher sehe ich das als Bewerbungsgespräch, mit dem ich kein Problem gehabt habe.
Bedenke, dass früher die meisten Schulen in kirchlicher Trägerschaft waren, von daher sind deine Vergleiche mit anderen (schulfremden) Institutionen nicht angemessen. Und die wissenschaftliche Absicherung der Inhalte ist ja gewährleistet, auf jeden Fall soll diese gewährleistet sein, und ich habe an meinen Schulen bisher nicht die Erfahrungen gemacht, die du schilderst.
Ich predige auch nicht, das Sprichwort wirst du aber kennen.
Ich kann den Schüler nicht im Unterricht etwas erzählen, was ich dann nachher anders lebe, das macht mich doch unglaubwürdig.
Nur als Beispiel: Ein Priester, der im Gottesdienst Frieden und Versöhnung predigt, und hinterher wieder seine ganze Gehässigkeit raushängen lässt, kann mir gestohlen bleiben. Als Reli-Lehrer kann ich das auch nicht bringen.
Diesen Gesichtspunkt hast du ja in deiner Antwort unten auch schon angesprochen. Das ist mir aber zu pauschal. Als Deutschlehrer sollte ich selbst Freude an Literatur haben, deshalb ist es aber auch in Ordnung, wenn ich die Lyrik der Romantik persönlich nicht besonders mag. Deshalb weiß ich aber trotzdem, wo ihre Besonderheiten liegt und warum sie für die deutsche Literaturgeschichte als Ganzes wichtig ist.
Als Religionslehrer muss ich mich sicherlich mit den Werten, die ich vermittle, identifizieren und es schadet sicher auch nicht, wenn ich mich mit den Idealen, die von der Kirche vertreten werden, im Großen und Ganzen identifizieren kann – zumindest solange der Unterricht eben theologisch und nicht religionswissenschaftlich ist. Aber deshalb muss ich nicht alle ideale leben. Ich kann z.B. kognitiv verstanden haben, dass die Einstellung der Kirche zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften sicherlich irgendwann mal dafür gedacht war, Müttern und ihren Kindern eine Versorgung durch eine Ehemann zu garantieren. Da das aber in dieser Form heute nicht mehr nötig ist, kann ich ruhig in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, ohne die Ideale, die HINTER dieser archaischen Regelung stehen, zu verraten. Ich muss Bibel und Katechismus und was es sonst noch so alles gibt nicht blind abnicken, um ein guter Religionslehrer zu sein. Und es ist albern von der Kirche, sich auf ein paar Regeln zu versteifen. Ich würde dir gerne das konkrete Beispiel aus meiner Familie erläutern, aber das ist mir in einem öffentlichen Forum zu persönlich. Vielleicht laufen wir uns ja mal persönlich über den Weg, dann erzähl ich es dir gerne.
Klar, das erwarte ich auch nicht. Ich schreibe hier ja auch nicht alles rein.
Ich glaube aber, es gibt doch einen Unterschied, ob es sich nur um ein Thema handelt, das mir nicht liegt (ich mag den Expressionismus NICHT), das ich aber dennoch gut vermitteln kann, oder ob es um Glaubensinhalte oder bestimmte Werte geht.
Das von dir angesprochene Ehe-Problem ist natürlich auch so eine Sache, ich meine damit nur, dass es ein Glaubwürdigkeitsproblem gibt, wenn ich einerseits im Unterricht die Vorzüge der Ehe anpreise, dann aber zeitgleich bekannt ist, dass ich davon gar nichts halte.
Du hast ja das Beispiel genannt, man ist standesamtlich verheiratet, aber mehr nicht. Wie soll man das erklären, wenn die Schüler das wissen sollten?
Wie weit das Missio beeinträchtigt, wenn man noch unverheiratet ist, weiß ich nicht, da weiß ich zu wenig, auch aus meinem Umfeld.
P.S.: Auch ein Deutschlehrer, ja? Ich lenke mich mit dieser Diskussion gerade vom Korrigieren ab, das mich schon den ganzen Samstag gekostet hat.
Ich habe gerade realisiert, dass wir uns im Kreis drehen. Innerhalb deiner Argumentation bist du nämlich sehr konsequent:
Wenn wir einen theologischen Religionsunterricht haben, der auch die Werte der katholischen Kirche vermitteln soll (= das, was ich leicht polemisch „missionieren“ nenne), dann muss die Kirche da auch die Hand draufhalten und durch die Missio darauf achten, dass die Lehrer selbst nach den Werten leben. Da stimme ich sogar zu.
Wenn wir aber einen objektiven, religionswissenschaftlichen Unterricht annehmen, in dem allgemeine Werte und Wissen über die Weltreligionen vermittelt werden, dann hat die katholische Kirche auch nicht zu interessieren, wie der entsprechende Lehrer lebt. Dass das nicht aus dem Ruder läuft, dafür sorgen BayEUG und LDO sowieso.
Wir sind also nicht wirklich weitergekommen, macht aber nichts, war trotzdem eine interessante Diskussion. Und sie hat mich erfolgreich vom Arbeiten abgehalten (ja, bin auch Deutschlehrer).
Das ist doch eben kein Missionieren, wenn katholische Kinder im konfessionellen Reli-Unterricht die Werte und die Lehre der katholische Kirche kennen lernen.
Ein religionswissenschaftlicher Unterricht ist dann aber überkonfessionell und das speziell Katholische oder Evangelische ginge verloren, womit wir wieder bei der Identität wären.
Nein, es wäre kein Missionieren, wenn die katholische Kirche katholischen, gläubigen Kindern die Lehre der katholischen Kirche vermittelt. Aber dafür ist meiner Meinung nach die Schule nicht der richtige Ort. Du hast vorhin geschrieben, die meisten Schulen seien aus konfessionellen Schulen entstanden. Das wusste ich nicht, aber das spielt auch keine Rolle. Jetzt sind es staatliche Schulen. Wenn Kinder (bzw. ihre Eltern) das Bedürfnis nach konfessioneller Erziehung haben, dann muss das im Elternhaus oder an einer konfessionellen Schule geschehen. Wenn Kinder (bzw. ihre Eltern) dieses Bedürfnis nicht haben, dann muss überkonfessioneller religionswissenschaftlicher Unterricht ausreichen. Die Kirche muss dann eben genauso um Mitglieder „werben“ wie jeder Freizeitverein. Und das kann funktionieren: ich bin nicht religiös erzogen worden (wie man vielleicht merkt ;)) und war jahrelang Ministrant und in der Pfarrjugend aktiv, weil mich Freunde „mitgeschleppt“ haben. Als Erwachsener habe ich dann neu reflektiert und für mich festgestellt, dass mir persönlich die Kirche nichts gibt. Das heißt, die Kirche hat mich zwar erreicht, auch ohne Religionsunterricht (wobei ich natürlich nicht weiß, ob der unbewusst Einfluss hatte, aber das kann ja wohl auch nicht die Absicht sein), konnte mich aber letztlich nicht halten.
Ich verstehe nicht, mit welcher Sonderstellung die Kirche das Privilig in Anspruch nimmt, ihre Lehre in der Schule zu verbreiten, wenn ich Wertevermittlung auch ohne kirchlichen Bezug betreiben kann. Der FCB schickt ja auch keine Trainer in den Sportunterricht, und TUI keine Reiseveranstalter in den Geographieunterricht.
Die Schule ist für viele Kinder der einzig verbliebene Ort, wo sie Kontakt mit Religion bekommen und darüber sprechen können, daher ist der Reli-Unterricht auch ein Angebot, das angenommen werden kann, aber nicht angenommen werden muss. Viele sind getauft, eine religiöse Erziehung findet/ fand aber nicht statt, weil Eltern eben oft kein Bedürfnis mehr danach haben. Die Entscheidung in die Hand der Kinder zu legen (auch in Zusammenhang mit der Frage, das Kind überhaupt noch taufen zu lassen), finde ich nicht angemessen, woher soll denn ein zehnjähriges Kind wissen, was Glauben und Religion bedeutet, wenn es damit nie Kontakt gehabt hatte.
Gäben wir den konfessionellen Unterricht zugunsten eines Wischiwaschi-Religionswissenschaftfaches auf, würde damit das Zurückdrängen der Religion noch verstärkt werden. Es geht ja nicht nur um die katholische Kirche, in einer christlich fundierten Gesellschaft können die Werte nicht plötzlich von ihren Wurzeln abgetrennt werden. Die katholische Kirche würde ich auch wirklich nicht mit dem FCB oder TUI vergleichen, der Vergleich ist – pardon – wirklich doof.
Daher nochmal: Ich bin echt froh, in Bayern zu leben und hier unterrichten zu dürfen.
Wird in Bayern eigentlich Reli für alle möglichen Konfessionen angeboten?
Wenn du hier so die katholischen Kinder im katholischen Unterricht unterstreichst, müsste ja auch Kindern anderer Konfessionen „ihr“ Reli angeboten werden…
Es gibt katholischen und evangelischen Religionsunterricht In Bayern, allen wird also „ihr“ Religionsunterricht angeboten. Konfessionslose und Angehörige anderer Religionen besuchen meines Wissens den Ethik-Unterricht, mehr lässt aber wohl die demografische Zusammensetzung nicht zu.
Ich unterstreiche deshalb den katholischen Unterricht, weil ich den unterrichte.
Das Problem ist natürlich, dass du als religiöser Mensch zur Bedeutung der Religion für das Alltagsleben eine völlig andere Einschätzung hast als ich. Ich finde durchaus, dass man auch in einer christlich fundierten Gesellschaft die Werte von ihren Wurzeln abgetrennt vermitteln kann. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: So wie ich das sehen, sind viele der bekannten religiösen Vorschriften einfach Grundregeln des Zusammenlebens, die durchaus Sinn machen. Die meisten der zehn Gebote gehören dazu. Hier wurde die Kirche, oder meinetwegen auch Gott, als moralische Instanz vorgeschoben, um dieses Zusammenleben zu organisieren. Es ist eben nicht gut, seine Nachbarn zu bestehlen, mit seiner Frau zu schlafen und ihn danach umzubringen. Es schadet sicher auch nicht, an einem Tag der Woche klein Fleisch zu essen und an einem anderen Tag nicht zu arbeiten. In der heutigen Gesellschaft brauchen wir aber Gott nicht mehr für solche grundlegenden Vorstellungen. Wir verstehen genug vom menschlichen Körper und Ernährung, um zu wissen, dass auch zwei fleischlose Tage nicht schaden können. Wir haben klare Regelungen, was Arbeitszeiten angeht und klare Gesetzgebung. Ich kann einem Kind auch beibringen, dass ein Menschenleben mehr wert ist, als es im Fernsehen gezeigt wird, ohne Gott dabei ins Spiel zu bringen. Ich kann ihm auch deutlich machen, dass ein Familie Zusammenhalt und Stärke gibt, ohne mich auf „katholische Argumentaton“ (wie auch immer die aussehen mag) zu berufen. Ich brauche also die katholischen Wurzeln nicht, um unser christlich geprägtes Menschenbild zu vermitteln. Ich kann das aber natürlich sachlich nachschieben und kognitiv erklären, so wie ich das hier versucht habe.
Es bleibt also wirklich die Frage, welche Sonderrolle die Kirche hat, dass sie sich so in den Unterricht einmischen darf. Natürlich ist der Vergleich mit TUI und FCB nicht ganz ernst gemeint. Ich hatte eigentlich ein anderers Gegenargument erwartet. Meine Argumentation geht nämlich sehr stark in Richtung „Schule zur Wissensvermittlung“. Eigentlich hat unter diesem Aspekt auch der Sportunterricht nichts an der Schule verloren. Nun ist es aber Tatsache, dass unsere Kinder verfetten und sich nicht mehr ausreichend bewegen (ich pauschalisiere hier, wenn auch nur ein wenig). Da dies ungesund ist und Schäden hervorrufen kann, ist es durchaus Aufgabe des Staates auch an Schulen gegen diesen Trend vorzugehen.
Nun behaupte ich, dass der Mangel an religiöser Erziehung keine unmittelbaren Schäden nach sich zieht, bzw. dass man sich ja eben nicht als Kind schon für eine Religion entscheiden muss. Wenn man mit 20, 30, 40 oder 80 Jahren das Bedürfnis verspürt, seine Seele zu retten, dann steht es doch jedem frei, dies zu tun. Damit habe ich auch kein Problem, unter diesen Unständen ist die Kirche eine wunderbare Einrichtung. Wenn sie es nicht schafft, die Leute schon in jungen Jahren anzuziehen, dann läuft da vielleicht was falsch, was man auch nicht retten kann, indem man die Religion in die Schulen trägt. Aber wenn die katholische Kirche aus eigener Kraft Angebote macht, von denen sich die Menschen angezogen fühlen, dann ist es doch wunderbar,
oder um es mit Faust zu sagen: „Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.“
Die Schule soll doch eben nicht nur eine Wissensfabrik sein, daher gehören Fächer wie Religion, Kunst oder Sport ganz genauso zur Bildung und zur Erziehung. Es wäre wirklich schade, wenn wir nur noch den Trichter ansetzen würden und Wissen abfüllen würden.
Religion zu erklären, fällt an einem gewissen Punkt wirklich schwer. Ich halte die Schule ganz einfach für den Ort, wo Kinder hervorragend an diese herangeführt und mit den Glaubensangeboten arbeiten können.
Irgendwann diskutieren wir im Kreis, glaube ich.
Wow! Pro Reli hat es geschafft und über 300.000 Stimmen gesammelt. Das sieht doch gut aus.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/auf-den-punkt/Pro-Reli;art15890,2712424