Samariter der Straße

Heute früh waren im Berufsverkehr vor acht lauter Bekloppte unterwegs, mich eingeschlossen. Etwas knapp dran, hatte ich es besonders eilig und immer wenn ich es eilig habe, kommt es mir so vor, als führen alle anderen noch langsamer als sie es wahrscheinlich tatsächlich tun. Der edle Samariter im Frauenland hat es dann aber doch übertrieben. Nachdem ich mich an all den haltenden Autos am Mozart-Schönborn-Gymnasium vorbeigestohlen habe (mir kommt es jeden Morgen so vor, als würden alle Schüler dort bis vor die Tür gefahren, um auch keinen Schritt laufen zu müssen), war er plötzlich in seinem silbergrauen Seat (mit den Aufklebern Yannik und Luise auf der Heckscheibe) vor mir und bremste bei jedem Schüler, um diesen über die Straße zu lassen. Ich habe eigentlich erwartet, dass er noch aussteigt und jedem persönlich über die Straße hilft, so hat er sich angestellt. Angefahren, angehalten, schließlich kommt noch einer, es könnte aber auch noch jemand kommen. Vielleicht.

Weitergefahren, ging seine Gutmütigkeitstour durchs Frauenland schon in der Seinsheimstraße weiter: Er hat alle Autos, die links in die Greisingstraße einbogen wollten, abbiegen lassen, um dann kurz anzufahren und wieder anzuhalten, um der Fahrschule, die in unsere Fahrtrichtung aus der Greisingstraße abbiegen wollte, die Vorfahrt zu schenken. Nichts gegen Fahrschüler, ich war selbst vor vielen Jahren einer, aber wieso muss man einem Fahrschulauto im Berufsverkehr die Vorfahrt schenken? Der soll warten und lernen, was es heißt, wenn das Verkehrsschild dazu auffordert, die Vorfahrt zu gewähren. Dann hatten ich trotz Zeitdrucks also eine Fahrschule und einen Lenkrad-Samariter mit sehr viel Zeit vor mir. Am Zebrastreifen machte das Fahrschulauto dann eine Vollbremsung und der Knabe wartete, bis endlich einer rüber wollte. Schön. Der Samariter hat das dann natürlich auch noch getan, dann konnten wir endlich weiter. Vor dem Chambinzky dann das nächste Drama, dort mussten wir an einem parkenden Auto vorbei und an der Kreuzung zum Friedrich-Ebert-Ring würgte der Fahrschüler sein Auto so oft ab, bis der Verkehr dort wieder rollte. Es dauerte, bis die Ampel dort wieder rot wurde und wir wieder die Möglichkeit hatten abzubiegen. Das klappte dann nach weiteren Anfahrversuchen auch. Die Fahrschule ist glücklicherweise geradeaus weitergefahren, ich links in den Rennweg abgebogen. Der Samariter hat dann niemanden mehr gefunden, dem er über die Straße helfen konnte, nicht mal am Zebrastreifen vor dem Oegg-Tor kam einer.

Und das alles noch bei leichtem Nieselregen…

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“