Schweinfurter Schlachtschüssel

Heute Nachmittag habe ich etwas Neues kennen gelernt: Ich war bei einer Schweinfurter Schlachtschlüssel im Gasthof Adler in Herlheim. Toll war es und gut und lustig, dazu aber später mehr. Die Tische sind nicht wie gewohnt gedeckt, sondern es liegen blankgescheuerte Holzbretter auf. Statt Servietten gibt es Lätzchen, heute waren es welche in Form des fränkischen Rechens, allerdings stand auf den meisten noch entweder „Mausi“, „Spatz’l“ oder „Häschen“, was gewissen Leuten so gar nicht gestanden hat. Zunächst bereitet jeder die Beilagen vor: Ein Häufchen Salz, dazu Pfeffer, frisch geriebener Meerrettich, mundgerechte Brotwürfel und frisches Sauerkraut, fertig ist das Schlachtfeld. In mehreren Gängen kommen dann die verschiedenen Schweine-Teile, die vor aller Augen vom Metzger kleingeschnitten und dann auf den Holzbrettern verteilt werden. Zunächst haben wir Bauchfleisch bekommen, dann Brustfleisch, dann Schulter und Backen, ehe es nach einer kurzen Pause mit Kopffleisch und Innereien weiterging. Sehr, sehr gut. Aber nicht für jeden, denn das Beste passierte natürlich um uns rum:

Neben meinem Bruder, gegenüber vom Hätzfelder Urgestein D., saß eine feine Dame, die mit den anderen Herrschaften zugegen war. Sie aß nichts von der Schlachtschüssel, sie und ihr Gemahl zogen es vor, eines der köstlichen Schnitzel zu essen. Es sei eine „Investition in die eigene Gesundheit“, solches Fleisch zu essen. Wenn man nicht wisse, woher das Fleisch kommt, sollte man lieber darauf verzichten. Mehr und mehr angewidert vom fetten Fleisch und der ungeziemenden Darreichungsform auf Brettern verzog die Dame zusehends das Gesicht, der Mund wurde immer spitzer. Sie ließ sich zwar regelmäßig sagen, was für eine Fleischsorte serviert wurde, ließ aber dem Ekel in ihrer Mimik freien Lauf. Immer wieder säuselte sie Sachen wie „scheußlich“ oder „mir wird bald schlecht“, aber sie hielt tapfer aus. Warum sie uns überhaupt beiwohnte? Der Gesellschaft wegen, das Lebensbund-Prinzip unter den Bundesbrüdern schweißt ja so zusammen. Als dann aber mein Bruder und D. sich am Schweinerüssel probierten, der vorher stolz herumgezeigt worden war und wir alle drumherum etwas von Schnupfen, Rotz, Popeln und Härli in der Schweinenase erzählten, hielt sie es nicht mehr auf ihrem Platz. Angeekelt schon in fast ungesunder Körperhaltung abgewandt, stand sie auf und setzte sich mit ihrem Haussschoppen an einen anderen Tisch, gefolgt von unserem Gelächter, weil wir ja schon vorher unseren Spaß hatten.

Wir haben uns dann mal in sehr gekünsteltem Hochdeutsch ausgemalt, was sie wohl den Damen bei ihrem Bridge-Kränzchen am Montag erzählen wird und hatten dann nochmal mehr Spaß.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

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