Türkisch-Unterricht? Wozu?

Türkisch für Fortgeschrittene müsste das wohl heißen. Cem Özdemir, der neue Grünen-Chef ist ein patenter Politiker, der für eine bodenständige grüne Politik steht, fernab jeder Fundi-Träumerei. Als Bildungspolitiker sollte er sich aber besser nicht versuchen. Seine Forderung im BILD-Interview, an Schulen mehr Türkisch als Fremdsprache zu unterrichten, kann ich nicht nachvollziehen. Erst recht nicht, wie dadurch die Bildungschancen für Migrantenkinder erhöht werden sollen.

Fremdsprachen in der Schule sind Sprachen, die neu erlernt werden. Fremdsprachen in der Schule sind vor allem aber auch Sprachen, mit denen man weltweit weiterkommt: Englisch, Französisch und Spanisch sind moderne Fremdsprachen, die viele 100 Millionen Menschen sprechen. Latein wird zwar nicht mehr gesprochen, ist aber Grundlage vieler anderer Sprachen und ein wertvoller Bestandteil einer umfassenden Bildung. Zwei weitere (lebendige) Fremdsprachen können ja trotzdem gelernt werden, wenn man auf Alt-Griechisch verzichtet. Aber zurück zu Herrn Özdemir. Er will die richtigen Schlüsse aus der neuesten PISA-Studie ziehen. Will er den Migrantenkindern so durch die Hintertür eine Fremdsprache ersparen, damit sie lernen, was sie schon können und daheim und auf dem Schulhof sowieso schon sprechen? Deutsche Schüler wird er kaum für Türkisch als Fremdsprache begeistern können, weil nur knapp 80 Millionen Menschen Türkisch sprechen. Wo ist der Zugewinn oder die Motivation? Und was ist mit den Migranten aus den vielen anderen Ländern? Abitur in Türkisch, in Hamburg ist das schon möglich. Hoffentlich bleibt es dabei auch. Ich verstehe schon gar nicht, wie das integrationsfördernd sein soll. Von dieser Idee sollte sich Herr Özdemir ganz schnell wieder verabschieden. Schüler, ganz gleich welcher Herkunft, werden nicht besser, indem Hürden niedriger gemacht oder beiseitegeschafft werden. Die Förderung muss im Kindergarten und im Elternhaus anfangen. Migrantenkindern ohne gute deutsche Sprachkenntnisse ist auf dem Arbeitsmarkt auch mit Türkisch in der Schule nicht viel geholfen.

Warum es laut Özdemir (und anderen Bildungsverbesserern) nicht mehr zu verantworten sein soll, nach vier Jahren zu entscheiden, ob ein Kind aufs Gymnasium kann oder nicht, erschließt sich mir nicht. Dass ein Kind nach den vier Jahren aber auch zwischen Realschule und Hauptschule wählen soll, das verstehe ich nicht. Dafür könnte man sich wie früher länger Zeit lassen, aber lasst endlich mal das Gymnasium in Ruhe.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

2 Kommentare

  1. vergessen die Flugmeilen? Damit wird jeder einzelne Bürger veralbert…und dann noch derartige Forderungen – manchmal sollte es nicht möglich sein, nach ein paar Jahren im Exil (Europaparlament) wieder einen Boden auf das Parkett der Innenpolitik (natürlich auch aussen..) zu bekommen.

  2. Fehler macht ja jeder irgendwann mal. In der Innenpolitik sollte er sich aber tatsächlich erstmal mit Vorschlägen zurückhalten.

    Wen interessiert denn, ob er sich einen Regierungschef mit Migrationshintergrund vorstellen kann oder nicht. Wenn es passiert, passiert es, eine Notwendigkeit ist das jetzt nicht, nur weil die Amis jetzt Obama haben.

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