TV-Ikone Marcel Reich-Ranicki

Beim Zappen bin ich gestern immer wieder bei der Verleihung des deutschen Fernsehpreises hängengeblieben. Eine Art Betriebsfest des deutschen Fernsehens, wo sich alle gegenseitig beweihräuchern und sich sagen, wie toll sie waren, Preise gibt es für die besten Schauspieler in Haupt- und Nebenrollen, Drehbücher, Reportagen, Sportsendungen und und und. Die meisten Damen und Herren, die als Schauspieler nomniert waren, kenne ich nicht, wie jedes Jahr war es eben eine Preisverleihung, die keine Überraschungen bereitgehalten hat. Fast keine. Hätte nicht Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der den Ehrenpreis für seine Verdienste bekommen sollte, aus seiner Dankesrede einen Rundumschlag gegen die Veranstaltung und das Fernsehen an sich gemacht (Link zum Video auf Youtube) und so für einen Eklat gesorgt, es würde heute keiner mehr über den Fernsehpreis reden.

Jetzt möchte ich doch die Frage in den Raum werfen, wieso Marcel Reich-Ranicki überhaupt den Ehrenpreis des deutschen Fernsehens bekommt? Hat er wirklich so viel geleistet? Das Literarische Quartett war eine Sendung mit vier Sturköpfen, in der sich MRR regelmäßig als sturster Sturkopf profilieren musste. Manchmal unangenehm, meist aber doch recht sympathisch, wie er eben ist. Revolutionär war dieses Konzept auch nicht, vier Menschen sitzen in einem Studio und reden. In diesem Fall über Bücher. Das war das wahrscheinlich Außergewöhnliche an der Sache. Seit es Das literarische Quartett nicht mehr gibt, sind Bücher noch mehr in Nischen-Sendungen verschwunden und Elke Heidenreich allein hilft mit ihrer merkwürdigen Art auch nicht weiter. Gut, jetzt wollten die Sender-Verantwortlichen Herrn Reich-Ranicki eine besondere Ehre zuteilwerden lassen, der wollte der sich nicht ehren lassen, er lehnte den Preis ab und schimpfte wie ein Rohrspatz über all den Blödsinn, den er sich ansehen musste. Thomas Gottschalk versuchte eine Rettung, demnächst wird mit MRR im Fernsehen geredet, über alles, was im Moment keine Rolle mehr spielt.

Unpassend war es trotzdem. Er hat vorher gewusst, was auf ihn zukommt, er hätte vorher ablehnen können. Das muss nicht erst auf der Bühne passieren. Und alles als „Blödsinn“ in die Tonne zu treten, den Preis als „Gegenstand“ abzuwerten, war schon fast unverschämt. Sehen wir es ihm nach, schließlich hat er nicht Unrecht, nur muss die Kritik nicht bei einer Preisverleihung, deren Ehrengast man ist, losdonnern. Oder bin ich einfach zu höflich?

Und Elke Heidenreich muss jetzt nicht auf den Zug aufspringen und ebenfalls schimpfen, wie peinlich und seicht alles sei. Sie verdient beim ZDF für ihre Sendung Lesen bestimmt nicht wenig Geld, da muss sie jetzt nicht so tun, als schäme sie sich, „in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten.“ Genug Geld verdient haben sie beide mit dem Fernsehen und wahrscheinlich wird jetzt niemand wagen, Frau Heidenreich vor die Tür zu setzen, auch wenn sie damit kolportiert.

The Da Vinci Code – Sakrileg fand ich eh viel interessanter. Und spannender.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

5 Kommentare

  1. Ich fand das auch eine beeindruckende Vorstellung von RR. Er ist halt jetzt auch mit dem Seniorenbonus behaftet, nach dem Motto: Lass den Alten sabbeln, der ist eh von vorgestern. Ganz Unrecht hat er schließlich nicht und er hat sich getraut, was manch anderer nur gedacht hat.
    Aber Frau Heidenreich war ja auch da, erzählt sie. Und jetzt nachzutreten und wie eine bezopfte Fünfjährige in die gleiche Kerbe zu hauen, weil der große Bruder auf die Kacke haut, ist eher unfein. Warum war sie da, wenn sie das auch alles so verachtenswert findet? Preis hatte sie ja keinen zu erwarten und die Chuzpe das Ding abzulehnen hätte sie nie gehabt, meiner Meinung nach.

  2. Der nette alte Mann mit den Haaren auf den Zähnen hat sich ja so in Rage geredet, dass er husten musste.

    Dass DSDS und Heidi Klums Modelsuche als beste Unterhaltung nominiert und DSDS den Preis letztlich bekommen hat, ist echt merkwürdg. Dann lieber jedes Jahr aufs Neue „Wetten dass..?“. „Switch reloaded“ dafür hat den Preis 100% verdient, Veronica Ferres als Frau vom Checkpoint Charlie war auch toll und die Eurosport-Freaks waren auch sehr nett. Alles pauschal abzuurteilen ist etwas stillos und beleidigt diese Preisträger, dein Vergleich mit dem großen Bruder, dem beigestimmt wird, ist richtig gut.

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