Wer letztes Jahr den Confed-Cup, die WM-Generalprobe, geschaut hat, wusste schon, was da bei der WM auf uns wartet. Fieser, eindimensionaler Lärm, der allenfalls mal lauter wird, aber selten bis nie Freude, Spannung oder sonstige Emotionen von den Tribünen rüberbringt. Die gewohnten Gesänge, die es trotzdem gibt, werden übertönt. Leider. Inzwischen schaue ich die meisten Spiele mit runtergedrehter Lautstärke, länger als eine Halbzeit ertrage ich den Hornissenschwarm nicht.
FIFA-Boss Sepp Blatter hat sich mit der WM in Südafrika einen Lebenstraum verwirklich, dementsprechend empört gibt er sich und verbietet sich jede Kritik an dieser „akustischen Hölle“, wie es Marcel Reif treffend auf Sky genannt hat; selbst Günter Netzer wird mir mit seiner offensichtlichen Genervtheit wegen der Tröten noch richtig sympathisch. Das beleidige die Südafrikaner und die Afrikaner an sich, weil das zu deren Kultur gehöre, werden wir brav belehrt. Auch unser Theo findet es natürlich toll, er meint, man solle sich positiv darauf einlassen. Interessant, wie schnell Plastiktröten aus China die Kultur eines Kontinents prägen, die tatsächlich ursprünglichen Trompeten, die Kuduzelas, sind laut Fifa in den Stadien nämlich verboten. Interessant auch, dass man uns Deutschen 2006 amerikanische Bierpisse in den Stadien vorgesetzt hat, weil Budweiser einer der Hauptsponsoren der Fifa ist. Unsere deutsche Bierkultur konnte da mal locker übergangen werden, könnte man jetzt sagen. Blatter hat sowieso immer empfindlich reagiert, wenn es jemand gewagt hat, das WM-Unternehmen in Südafrika zu kritisieren.
Jetzt nervt halt der grausame Trötenlärm bei jedem Spiel, nicht nur uns Zuschauer, sondern auch Spieler und Trainer auf dem Spielfeld.
Fast putzig finde ich es ja, wenn uns besonders eifrige Kommentatoren weismachen wollen, wie sehr das in Afrika zum Fußball gehört, überhaupt nervt dieses olle Gerede, dass man diese fremden Gepflogenheiten akzeptieren müsse. Letztes Jahr beim Confed-Cup haben sie das besonders gerne gemacht, schön dass jetzt aber offen gesagt wird, wie das stört, schön auch, dass selbst Afrikaner den Lärm scheiße nicht gut finden und sich dagegen wehren, dass dies schon immer in den Stadien zum Fußball gehöre. Ich habe auch schon oft Afrika-Cup geschaut und da gab es nicht immer diesen Vuvuzela-Terror. Oder wurde das da rausgefiltert?
Zudem soll Blatter mal überlegen, wer ihm seine WM in Südafrika bezahlt: Das sind nämlich die Fernsehanstalten, die virel Geld für die Rechte bezahlen und die Zuschauer vor den Fernsehern in aller Welt, auf deren Geld die Sponsoren nicht nur schielen.
Mich wundert es sehr, dass ausgerechnet in Afrika, wo die Menschen so musikalisch sind, langweiliges Dauerdröhnen den Gesang verdrängt. Die ausländischen Fans singen zwar, werden aber gnadenlos weggetrötet. Auch nicht die feine Art, mit seinen Gästen umzugehen, aber die Kultur ist ganz ganz wichtig und wir danken dem besonders guten Herrn Blatter von ganzem Herzen, dass wir die kennen lernen dürfen.
Ein Verbot gibt es nur, wenn die Dinger zweckentfremdet als Wurfgeschosse benützt würden. Finden sich da keine Freiwilligen? Inzwischen regeln die Sender das Gewummer recht gut runter, was es halbwegs erträglich macht, hier gibt es aber noch eine Anleitung für den ultimativen Vuvuzela-Filter. Das müssten die Profis vom Fernsehen doch auch hinbekommen. Und wenn alles nichts hilft, trösten wir uns mit Harald Schmidt: Der findet die Dinger gut, weil man das Geschwafel der Kommentatoren nicht so gut hört. Da bin ich dekor, um mit Andreas Brehme zu sprechen. Man darf jetzt nicht alles so schlecht reden, wie es war, um es wie Fredi Bobic zu sagen. Ich habe fertig, um mit Giovanni Trapattoni zu enden.
Mann! Schreib doch mal wieder Sachen, für die ich dich als Bayerndepp beschimpfen kann. Dass die Dinger Terror sind, wissen wir jetzt hinlänglich.
Ich finde dieses Weichei-Getue auch redundant. Es ist nunmal sowie es ist und in vier Wochen ist es wieder vorbei. Hoffentlich für immer. Es war halt ein guter Marketing-Gag – wer hat denn je behauptet, dass alle „Afrikaner“ das gut finden? Und wer sagt denn, dass das alles Einheimische sind, die da herumtröten?
Das Ganze hat übrigens einen anderen Kollateralnutzen: Die Spieler können das Geschrei der Trainer nicht mehr hören. Das hätte ich als Spieler sehr genossen! Leider führt das noch nicht zu weniger Rasenschach, kann aber noch werden.
Sky bietet ab dem Spiel Südafrika gegen Uruguay einen Vuvuzela-gefilterten Tonkanal an. Dieser Trötenterror ist dann deutlich reduziert und man hört tatsächlich mal Fans, die ihre Mannschaft anfeuern und bei einem Schuss auch mal die Stimme erheben. Wenn schon der Fußball teilweise unansehnlich ist, hört sich jetzt wenigstens das Stadion mehr nach WM an.