Unnötiges Ende einer Tradition

Die ganz Klugen müssen das wieder mit der Trennung von Staat und Kirche begründen, die ganz Guten merken an, dass ja in Würzburg nicht nur Katholiken leben, sondern auch andere Christen, Muslime und Juden und Nichtgläubige. Dass OB Rosenthal mit der langen Tradition, dass beim Neujahrsempfang der Stadt Würzburg nach dem Oberbürgermeister der Bischof spricht, gebrochen hat, war unnötig wie ein Kropf und ich finde das auch sehr bedauerlich, dass bewusst darauf verzichtet wird, den Bürgern der Stadt neben der politischen eine geistige Anregung mit auf den Weg zu geben. Die Begründung, dass ja nicht nur Katholiken in unserer Stadt lebten und die Stadt auch durch andere bereichert werde, finde ich albern, da man damit nur dem allgemeinen Trend folgt, das Religiöse aus dem Alltag zurückzudrängen, in der Regel kommen die Mehrheitsvertreter bei solchen Gelegenheiten zu Wort. Die ganz Guten wollen ja dann immer gleich auch einen Rabbi und einen Imam hören, um wirklich allen in ihrem Gleichberechtigungswahn Gehör schenken zu wollen, selbst an der Rede des Papstes im Bundestag wurde ja lange genug herumgekrittelt, weil man Kirche und Staat verstörend eng vereint und die staatliche Neutralität gefährdet sah, auch wenn viele wahrscheinlich gar keine Ahnung haben, was das bedeutet. Aber wenn das andere daherreden, kann es ja nicht so falsch sein.

Dass Würzburg eine Bischofsstadt ist und von seinen Gläubigen über Jahrhunderte maßgeblich geprägt worden ist und auch weiterhin geprägt wird, wird dadurch leider außer Acht gelassen. In der ganzen langen Zeit hat die katholische Kirche wesentlich zum Aufstieg und zum Ansehen der Stadt beigetragen und sie ist sicher weit mehr als ein Verein und kann Christen wie Nicht-Christen, Katholiken und Nicht-Katholiken Denkanstöße geistiger Natur geben, die sich nicht nur mit der Frage befassen, wie sich eine Stadtgesellschaft im engeren Sinne organisiert und mit Leben füllt. Von solchen Denkanstößen können alle profitieren, diese richten sich ganz sicher nicht nur an die Kirchgänger. Würzburg ist aus seiner historischen Entwicklung nun mal vorwiegend katholisch, wäre unsere Stadt überwiegend evangelisch, wäre ein Grußwort des evangelischen Dekans nicht weniger angebracht. Da muss nicht immer der Ausgleich gesucht werden, damit sich nicht jemand vorsichtshalber benachteiligt fühlen könnte. Meist fühlen sich die Betroffenen ja auch gar nicht benachteiligt, sondern nur besonders gute Menschen, die das stellvertretend und ungefragt übernehmen. Die Begründung des Oberbürgermeisters, die Stadt sei „in den letzten Jahren insgesamt pluraler, bunter und vielfältiger“ geworden, ist daher wenig überzeugend. Jetzt spricht mit dem ehemaligen Uni-Präsidenten Theodor Berchem morgen zwar ein überzeugter Christ, das Religiöse wird durch diesen Symbolakt trotzdem leider auch in unserer Stadt bewusst zurückgedrängt, dem allgemeinen Trend zur totalen Verweltlichung wird damit – bewusst oder unbewusst – mal wieder Vorschub geleistet. So wie Benedikt XVI. im Bundestag keine katholische Predigt gehalten hat, predigt auch Bischof Friedhelm bei solchen Anlässen nicht, sondern spricht in einer Weise, dass auch Nicht-Katholiken gleich welcher Couleur eine allgemeingesellschaftliche Botschaft mit in das neue Jahr nehmen können, ohne sich zu fragen, ob sie jetzt den katholischen Overkill mitbekommen haben. Eine Gesellschaft ohne religiöse Einflüsse wäre sicherlich in jeder Hinsicht ärmer, solange sich Religion und Vernunft in einem gesunden Gleichgewicht befinden. Die Rede von Prof. Paul Kirchhof beim Diözesanempfang liefert für eine solche Debatte tolle Impulse. Und der ist kein katholischer Würdenträger wie der Papst, den ich jetzt bewusst nicht zitiere. Im Übrigen leben wir in Europa in einer Kultur, die maßgeblich durch das Christentum geprägt und beeinflusst wurde und wird, dem sollte man sich auch nicht einfach verweigern, ehe man munter in Sachen „Staat und Kirche“ drauf losplappert und dabei die Wurzeln unserer Kultur auszuklammern versucht. Das Christentum bietet – auch 2012 – mehr als nur einen Orientierungsrahmen und sollte auch als Korrektiv nicht auf Dauer aus unserem Blickwinkel verschwinden.

In meinen Augen hat OB Rosenthal völlig unnötig ein Fass aufgemacht, weil an dieser Tradition nie gezweifelt wurde, eine öffentliche Diskussion darüber – gemeint sind sicher nicht die häufig dummen und meist unreflektierten, da voreingenommenen Kommentare in der Main-Post unter den entsprechenden Artikeln – hat auch nicht stattgefunden, das geschätzte Grußwort des Bischofs zum neuen Jahr hat einfach dazugehört, ohne dass sich jemand ausgeschlossen gefühlt hat. Hofmann vertritt schließlich ebenfalls eine Mehrheit in dieser Stadt. Wenn man den Schritt so begründet, dass sich „beim Neujahrsempfang der Stadt […] alle Glieder der Stadt wiederfinden können“, dann frage ich mich noch mehr, auf welche Weise Herr Berchem diese vertritt. Fühlen sich da nicht alle Nicht-Akademiker ausgeschlossen, weil man Würzburg jetzt eben nicht mehr als Bischofsstadt, sondern als Universitätsstadt betrachtet, die sie natürlich ist? Das idealistische und auch gutmenschliche Ansinnen, im Zweifel immer allen gerecht werden zu müssen, lässt sich in der Praxis einfach nicht durchsetzen, warum man jetzt aber den Bischof brüskieren muss und ihm das Wort entzieht, verstehe ich nicht, ich will es auch nicht verstehen. Auch deshalb nicht, weil seit Rosenthals Amtsantritt ja auch schon zwei Neujahrsempfänge mit Bischof über die Bühne gegangen sind und er nach diesem nur noch 2012 und 2013 zum Neujahrsempfang laden wird, eine Wiederwahl ist ja nicht möglich. Oder will sich Rosenthal durch diesen in meinen Augen stillosen Schritt in den Annalen verewigen, weil ein Wiederaufleben dieser Tradition bei seinem Nachfolger für entsprechende Diskussionen wird? Erstaunlich auch, dass der Ältestenrat die Entscheidung des Bürgermeister mitträgt. In einer Bischofsstadt kann man auch mal Gespür für die tatsächliche Mehrheit zeigen, den Bischof zu übergehen mit der Begründung, es gäbe auch noch andere „Gruppen“, zeigt schon eine bewusste Sicht der Stadtentwicklung in den letzten Jahren.

Ganz nebenbei bemerkt finde ich mich nicht in einem SPD-Oberbürgermeister wieder, den ich nicht gewählt habe. Ich bin jetzt aber nicht beleidigt.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

9 Kommentare

  1. Nur eine kleine Besserwisserei: Mit der „Tradition“ hat nicht der Oberbürgermeister gebrochen, sondern der Ältestenrat des Stadtrates. Und zwar einstimmig. Bemerkenswert, weil da ja auch die CSU vertreten ist…

  2. Das finde ich ja auch erstaunlich. Nur ging der eigentliche Impuls zu der Entscheidung vom OB aus, weshalb ich vor allem ihn kritisiere.

  3. Ich habe keine Zeile deines Beitrags gelesen, weil es an der Veränderung nichts, aber auch gar nichts zu kritisieren gibt.

  4. Wenn ich so etwas und andere Sätze in Ihrem Beitrag lese, denke ich nur: Gott sei Dank, schafft es ab, nehmt der Intoleranz und dem Fundamentalismus den Raum.

    „Die ganz Guten wollen ja dann immer gleich auch einen Rabbi und einen Imam hören, um wirklich allen in ihrem Gleichberechtigungswahn Gehör schenken zu wollen (…)“

  5. Vielleicht sollten Sie nicht nur die Sätze, sondern den Text im Zusammenhang lesen, um nicht solche absurden Vorwürfe hier loszulassen.

  6. Nur ein Beispiel: „Gleichberechtigungswahn“ – aus dem Zusammenhang gerissen? Der Begriff an sich enthält eine entschiedene Wertung. Der Zusammenhang gibt dann zusätzlich das Objekt der Wertung an. Was ist daran absurd?
    Ich find´s peinlich und beschämend, dass Sie andere so abwerten.

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