Wenig geistreiche Worte

Wenn mein Brotzeitseidla überschäumt und meine Lehrproben-Unterlagen unter Bier setzt, ist das doch eine willkommene Gelegenheit, mal eben meinen Blog zu füttern. Der kurze, aber dennoch laute Fluch, dass ich mein Konzept jetzt noch einmal schreiben muss, ist vorbei, also kann es weitergehen.

Dass der Ton im Wahlkampf meist etwas schärfer ist klar, das haben auch Roland Koch und Brigitte Zypries in Frank Plasbergs Sendung Hart aber fair am vergangenen Mittwoch gezeigt. Roland Koch wurde einmal mehr Fremdenfeindlichkeit – ein inzwischen fast schon ausgelutschtes Totschlagargument – vorgeworfen, dabei fordert er eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, nicht die Verschärfung eines sowieso nicht-existenten Jugendausländerstrafrechts. Dass es eben mehr ausländische Jugendliche als deutsche Jugendliche trifft, ist aber nicht Herrn Kochs Schuld oder die irgendeines anderen, da muss auch niemand scheinheilig bei der Kanzlerin petzen, dass Koch fremdenfeindlich wäre oder sich in sonst einer Form darüber auslassen. Dass aber der SPD-Fraktionschef Peter Struck jetzt Herrn Koch unterstellte, dieser sei insgeheim doch froh über die U-Bahnüberfälle ausländischer Jugendlicher, ist schon deutlich unter der Gürtellinie, gerade weil es den Koalitionspartner trifft. Dass ihn dieser mal könne, so Strucks Antwort auf die Forderung nach einer Entschuldigung, zeigt doch, wie erbittert die Leute kämpfen und dabei jeden Sinn für Sitte und Anstand vergessen. Einem Politiker zu unterstellen, er sei glücklich über die Tragödie einzelner Menschen, weil deren Schicksal wahlkampftechnisch prima Zwecke erfüllt, ist harter Tobak und ziemlich dumm.

Hat Herr Struck mal darüber nachgedacht, dass Herr Schröder seiner Zeit, genauer gesagt 2002, froh über den Ausbruch des Irak-Krieges und das Oder-Hochwasser gewesen sein könnte? Manchmal ist es einfach klüger, die Klappe zu halten, oder war er selbst froh, da er ja durch Schröders überraschenden Wahlerfolg noch zu Ministerehren gekommen ist? Zum Kopfschütteln.

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Kategorisiert in Politik

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

11 Kommentare

  1. hättest Du das nicht geschrieben, hätte ich das machen müssen; so etwas muss eigentlich einen Rücktritt nach sich ziehen. Mit Politik hat das nichts mehr zu tun, da spricht einfach nur ein verwirrter Geist, und das hat im Ministeramt nichts zu suchen. Sowas muss behandelt werden.

  2. Leider immer wieder festzustellen wieviel Anstand und Takt ein Teil unserer Politiker haben.

    Ich wünsche den Koch-Gegnern eine Jahreskarte mit der U-Bahn ohne Begleitschutz, dann wäre die U-Bahn der sicherste Platz der Welt!

  3. Ich verstehe es einfach nicht, warum jetzt eine Debatte über Fremdenfeindlichkeit losgetreten wird, um die es gar nicht geht. Es geht um Jugendkriminalität, das betrifft nun leider mal sehr viele Ausländer, und wenn jetzt deren Vertreter rumjammern wegen Fremdenhass und dergleichen, tun sie genau das, was der „Weiße Ring“ kritisiert: sie verharmlosen die Gewalt, als sei diese als alltäglich hinzunehmen. Jedes Opfer muss sich doch verarscht vorkommen, wenn sich friedliche Ausländer hinstellen und sagen, wir sind aber friedlich, als ob das gegen sie gerichtet wäre.

  4. @algore
    Er nicht. Aber die SPD hat nicht umsonst Herrn Grass vor Mikro gezerrt, damit er sich gegen Demagogen ausspricht.

    Die SPD drängt H. Koch in die rechte Ecke, nur weil er das ausspricht, was viele denken.

    Mich stört es, wenn Jugendliche gewalttätig werden und besonders wenn jemand dabei das Gastrecht missbraucht und weiterhin bleiben darf.

  5. Diese Form der Auseinandersetzung finde ich sehr befremdlich und auch bedenklich. Die U-Bahn-Überfälle haben das Fass jetzt eben mal (endlich) zum Überlaufen gebracht. Wir wären sicherlich auch ohne Wahlkampf bei diesem Thema, nur würde die SPD und der Rest nicht so empört aufheulen. Warum heulen die überhaupt? Dieses Schönreden hilft niemandem weiter.

  6. Ja, genau so sehe ichs auch. Es war einfach mal an der Zeit, dass sowas beredet wird. Dass das ganze jetzt vielleicht das ein oder andere Mal zur Wählergewinnung führen KÖNNTE ist normal wie ich finde. Nur muss die Union jetzt auch handeln und das Thema noch vor den Wahlen abhacken. Sonst kommt es nicht sehr gut beim Wähler an.

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