Erstaunlich, dass es in Würzburg kaum ein größeres Bauprojekt gibt, bei dem sich nicht irgendeine Bürgerinitiative, auch Interessengemeinschaft genannt, findet, die etwas besser weiß oder dieses gleich ganz verhindern will. Seit ich meinen Blog hier führe, ist schon so manches Großprojekt im Keim erstickt worden, besser geworden ist jedoch nichts, im Gegenteil.
Die Würzburg-Arcaden wurden 2006 verhindert und blockiert, damit nicht nur der Ringpark gerettet wird, sondern vor allem die Profite gewisser Würzburger Einzelhändler. Als Alternativstandort wurde immerzu vom „Mozart-Areal“ geschwärmt, dort sollte das Einkaufszentrum entstehen. Was hat sich geändert? Wenig bis nichts. Gut, die Posthallen sind jetzt eine Veranstaltungshalle, deren Charme sich mir aber nicht erschließen mag, der Bahnhof wurde ein bisschen renoviert und soll in den nächsten Jahren schöner werden. Ich bin gespannt. Und das „Mozart-Areal“ ist weiterhin das alte, teilweise genutzte Gymnasiumsgebäude. IKEA wollte in Würzburg bauen, musste sich aber erst mit einer Initiative zur Rettung der Feldhamster auseinandersetzen, zum Glück durften die Schweden am Ende doch bauen, die Hamster tanzen jetzt anderswo. Auch die Fachhochschule sollte noch auf den letzten Drücker verhindert werden, erst ein Bürgerentscheid gab schließlich grünes Licht. Das von mir vor sechs Jahren „Kummerkasten“ genannte Hochhaus in der Augustinerstraße ist bis heute hässlich, ein Stockwerk zu viel oder zu viel Neubau, auf jeden Fall tut sich dort augenscheinlich nichts, aber der Verschönerungsverein hat das Haus erhalten. Das einsturzgefährdete Hochhaus ziert die Würzburg Skyline seitdem eben mit Gerüst und verschönert Würzburg.
Die neue Straßenbahn zum Hubland und Richtung Gerbrunn dürfte bis zur Landesgartenschau 2018 nicht mehr fertig werden, auch hier fanden Gegner zusammen und rebellierten gegen das Projekt. Dafür gibt es eine überaus aktive Bürgerinitiative, die sich ständig etwas Neues einfallen lässt, um den Ausbau der A3 zu torpedieren und ihre dämliche Tunnellösung zu propagieren. Letztes Jahr wurde ein überflüssiger Bürgerentscheid angestrengt, dessen Ergebnis nicht bindend war und ist, dennoch beißen und kratzen die Vertreter munter weiter. Geht denen eigentlich nicht endlich mal das Geld aus? Jetzt soll Würzburg mal wieder klagen. Dürfen wir Steuerzahler eigentlich auch mal klagen, dass ständig Steuergelder vergeudet werden, weil die Mittel der direkten Demokratie so ausgenutzt werden? Apropos, vor knapp zwei Jahren durften wir Würzburg ja an die Wahlurne, um über die Rettung von Würzburgs grüner Lunge abzustimmen. Die brachliegende Fläche in der Rottendorfer Straße sollte der Paradiesgarten – Was für ein Name! – bleiben, der Bau einer Wohnanlage konnte trotzdem nicht verhindert werden. Die Interessen der Anwohner und Hausbesitzer waren eben nicht das Interesse der Wähler. Schadenfreude konnte ich mir nicht verkneifen, die unnütz ausgegebenen Steuergelder ärgern mich dennoch, wenn Privatinteresse plötzlich zum Allgemeininteresse geredet wird.
Bestimmt habe ich andere Bürgerinitiativen vergessen, aber offenbar blüht uns in Würzburg noch dieses Jahr mal wieder ein Bürgerentscheid, weil Unterschriften gesammelt wurden, um das MOZ, das ehemalige Mozart-Gymnasium, zu retten. Diese wurden jetzt eingereicht, sind 5000 der knapp 8000 Unterschriften gültig, muss Würzburg wieder in die Wahlkabine. Die Unterstützer sind also der Meinung, dass dieses wunderbar hässliche, zweckmäßige Schulhaus erhalten werden soll, um es nach einer Sanierung weiternutzen zu können. Sicher verbinden ehemalige MOZ-Schüler schöne Erinnerungen mit dem Gebäude, ich habe dort meine erste Unterrichtsstunde gehalten, meine erste Lehrprobe abgelegt, aber erhaltenswert finde ich das Gebäude nicht. Soll das dann ebenso aufwändig entkernt und saniert werden wie das wunderbar hässliche, zweckmäßige Polizeigebäude in der Augustinerstraße? Sicher, ein moderner Stahl-Glas-Kasten, wie er derzeit ständig irgendwo hingesetzt wird, ist auch nicht erstrebenswert, aber einen Bürgerentscheid braucht es doch wirklich nicht schon wieder. Und der jetzige „Charme“ des 50er-Jahre-Betonbaus wird nach einer Sanierung sowieso nicht mehr zu sehen sein. Und wenn es um das Mosaik im Treppenhaus geht, das lässt sich sicher auch anders sichern. Und wenn nicht, es gibt Schlimmeres. Und Schöneres.
Und wieder keimt die Idee in mir auf, eine Bürgerinitiative zur Verhinderung weiterer Bürgerinitiativen in Würzburg zu gründen.