Würzburg brennt also…

Eines vorneweg, mir fällt es schwer, die Studenten-Proteste wirklich ernstzunehmen, wenn der Würzburger Protest-Blog den mehr als dämlichen Titel Würzburg brennt! trägt, Uni brennt zum Schlagwort der Proteste in Deutschland wird und immer wieder dieser olle Bildungsstreik durch die deutschen Hörsäle geistert, der schon letztes Jahr mehr für Ärger als für konstruktives Reden gesorgt hat. Zu viele Unterstützer kommen aus dem gleichen Umfeld wie der Schülerstreik, da finden sich dann schnell abgedroschene sozialistische Polit-Phrasen, die die Anliegen der Masse ganz sicher nicht repräsentieren.

würzburgbrennt
Bildschirmfoto: würzburg-brennt.de

Die meisten Anliegen kann ich gut nachvollziehen und unterstütze die Proteste auch, aber ob Hörsaalbesetzungen führende Politiker dazu bewegen können, das Gespräch zu suchen und sich so auf die Proteste einzulassen, bezweifle ich wie im letzten Jahr, als Schüler den Unterricht schwänzten, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Das sieht ganz schnell nach Krawall aus (auch wenn gar nicht randaliert wird) und die Fronten verhärten noch mehr, Lehrpersonal, das die Anliegen unter Umständen sogar unterstützen würde, nimmt eher nicht an den Demos teil. Aufmerksamkeit hatten die Schüler, Aufmerksamkeit ist auch den Studenten sicher, aber Aufmerksamkeit und Verständnis sind nicht das gleiche, eine reißerische Parole mit Wurzeln in Österreich lässt zudem an der Ernsthaftigkeit der Demonstranten zweifeln. Wenn zeitgleich aber andere Studenten am Studieren gehindert werden, finde ich das recht problematisch. Zudem schadet jede Bierflasche, die in irgendeiner Weise auf Bildern zu sehen ist, dem Ansehen der Demonstranten.

Was mich besonders stört: Immer scheinen die Studiengebühren augenscheinlich im Mittelpunkt der Proteste zu stehen. Gegen den ganzen Bologna-Mist wird zwar auch eifrig agitiert, die negativen Auswirkungen und die Nachteile, die den Studenten durch den Bachelor- und Masterirrsinn entstehen, kommen in der Öffentlichkeit aber viel zu wenig zur Sprache. Ohne Not wurde hier an der hochangesehenen Hochschulausbildung herumgepfuscht, um die Studenten mit effektiv schlechterer Ausbildung schnell durch das Studium zu schleusen. Dagegen sollten in erster Linie demonstriert werden. Ein Studium, das Spaß macht, lässt dann auch den Frust über die 500€ pro Semester weniger werden. Oder eine andere Frage, die ich mir immer gestellt habe: Warum gibt es erst einmal eine Stellensperre, wenn ein Professor die Uni verlässt?

Zudem sollten auch mal die positiven Auswirkungen der Studiengebühren in Betracht gezogen werden. Heute gibt es nicht nur so manche Veranstaltung mehr als zu meiner Zeit, als das Studium noch gebührenfrei war. Eine Abschaffung würde unser Hochschulsystem nachhaltig schädigen.

[Ergänzung 1] Wissenschaftsminister Heubisch (FDP) wird am kommenden Mittwoch (25.11.2009) ins Audimax kommen und sich den Protesten stellen, auch der Würzburger Landtagsabgeordnete Oliver Jörg (CSU) versteht die Proteste gegen den Bologna-Prozess, dessen Umsetzung er für höchst unbefriedigend hält. Dass in den frühen Morgenstunden drei Mitglieder des RCDS ins Audimax stürmten, lässt an deren Bildungsniveau zweifeln, zumal nicht pauschal jeder Demonstrant gleich dem marxistischen Spektrum zugeordnet werden kann. Vielleicht sollten die sich auch mit einem Banner vor die Uni setzen und für mehr Bildung demonstrieren.

[Ergänzung 2] In München haben gestern am späten Abend die Sportfreunde Stiller die Proteste unterstützt. Dann will ich mal hoffen, dass sich nicht nur in Sachen Bologna-Reform etwas bewegt, damit das Studieren wieder Freude bereitet.

Weitere Links:

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“

10 Kommentare

  1. Über den Titel der Sache und manche unnötige Parole kann man diskutieren.
    Fakt ist aber auch, dass seit Jahren an den Hochschulen unnötig gespart wurde, die Proteste der Studierenden nie ernst genommen wurden und die Situation sich mittelfristig eher verschlechtern als verbessern wird.
    Auch soll keiner behaupten, es seien nicht alle anderen Wege und Möglichkeiten versucht worden. Seit ich hochschulpolitisch aktiv wurde, hat man immer alles versucht und es ist nix passiert.
    Ich finde es gut und richtig, wenn sich die Studierenden die Bedingungen an der Universität nicht mehr weiter gefallen lassen.

  2. Das müsste das Avatar-Bildchen sein, das mit der Email-Adresse zusammenhängt, die du hier bei mir eingegeben hast. Welche Seite das genau ist, weiß ich aber leider nicht mehr.

  3. Sehe ich auch so. Auch wenn man über Einzelheiten streiten kann (Studiengebühren…), ist der Protest doch insgesamt ein ziemlicher Erfolg. Es ist nunmal schwer, eine so große Gruppe von Menschen – die auch noch dazu neigen, sich ihre eigenen Gedanken zu machen – unter einen Hut zu bringen.

  4. Eine peinliche Randnotiz bildet – mal wieder – der RCDS (oder wie die Union ihre Kaderschmiede nennt). Sie beteiligen sich nicht am Protest, weil zu viele linke Gruppierungen dabei seien. Auch eine Möglichkeit, sich selbst ins Abseits zu stellen und gleichzeitig die eigene Klientel zu verraten/vergraulen.

    Ich fínde es traurig, dass sogar die Uni-Politik von Parteipolitik überlagert wird, anstatt gemeinsam für ein Ziel zu kämpfen, dem wohl kein Student widerspricht.

  5. Nachdem sich Oliver Jörg (CSU) deutlich für eine konstruktive Zusammenarbeit ausspricht, steht der RCDS mit seiner dämlichen Hetze recht allein da und vergrault in der Tat die eigene Klientel.

    Die ganze Pressemeldung kann man denen so herrlich um die Ohren hauen, steht da doch geschrieben „Verständnis für Krawallmacher zu zeigen, die nicht mal selbst wissen wofür sie alles Protestieren, ist ein falsches Signal und bringt uns bei der Problemlösung nicht weiter!“

    Wer hat denn heute früh Krawall gemacht? Das waren diese drei Gestalten, die sich dem RCDS verpflichtet fühlten. Eine arme Vorstellung. Arm vor allem an Niveau.

Kommentare sind geschlossen.