Zwei Stunden Neubert am Samstagvormittag

Da die Bestände in meinem Arbeitszimmer stetig wachsen, reicht der Platz in meinem Balton-Regalsystem nicht mehr aus und ich muss anbauen. Vier Einlegeböden, 85cm breit. Aber so einfach ist das immer gar nicht beim Neubert, der dieses Regalsystem in Würzburg verkauft, obwohl ich dort wirklich gerne rumlaufe, auch wenn ich nichts kaufen will. Der Herausforderung, mich gerade dann nicht zu verlaufen, stelle ich mich nämlich sehr gerne.

Meist – so auch heute – fängt es schon bei der Einfahrt ins Parkdeck an. Vor mir war ein Berliner, der sich offenbar kurz nach dem Einfahren doch für IKEA entscheiden wollte, er wollte auf jeden Fall nicht mehr weiterfahren und ist erst einmal stehen geblieben; vielleicht um mit seiner Beifahrerin zu diskutieren. Er hat sich schließlich doch fürs Einkaufen beim Neubert entschieden, zumindest ist er wieder losgefahren, möglicherweise hat aber auch mein Hupen zur Entscheidungsfindung beigetragen. Erst einmal im Parkdeck ist es auch gar nicht so einfach, einen Parkplatz zu finden, weil die erste Reihe voll ist, man dann auf die Hauptspur zurückkommt, von dort aber nicht mehr nach rechts in die einzelnen Parkspuren abbiegen darf. Eigentlich. Wie das System dort funktioniert, weiß ich nicht, geparkt habe ich trotzdem; zwischen zwei Autos aus WUN und TIR, meine Arbeit holt mich immer wieder ein.

Auf dem Weg zum Haupteingang, einen Balton-Einlegeboden als Muster unter dem Arm, bin ich an einem Porsche Cheyenne vorbei, dessen Yuppie-Fahrer gemütlich auf dem Mutter-Kind-Parkplatz geparkt hat, aber weder Mutter noch Kind dabei hatte. Mein breites Grinsen hat er aber nicht verstanden, er war nur etwas irritiert und fragt sich wahrscheinlich immer noch, ob er mich irgendwoher kennt. Vielleicht vom Geburtsvorbereitungskurs?

An der Infomation habe ich meinen Einlegeboden angemdeldet, habe einen Schein bekommen und mir dann noch sagen lassen, wo ich denn das Balton-Regal finde, von dem ich da noch gar nicht gewusst habe, dass mein Regal einen Namen hat wie die Möbel bei IKEA. Die Dame hat mich auf dem direkten Weg in den zweiten Stock geschickt, zu den Kleinmöbeln. Nach einer Aufzugfahrt, während der eine Mutter und ihr Kind randaliert haben (ich kann wirklich nicht sagen, wer sich mehr aufgeführt hat), habe ich die „Kleinmöbel“ auch ganz schnell – ohne mich zu verlaufen! – gefunden. Dort wurde ich von der netten Angestellten aber gleich ins „Junge Wohnen“ im anderen Haus geschickt, weil ich dort Balton finde. Mein Regal hatte jetzt einen Namen. Ein Stockwerk tiefer, durch die ganze Lampenabteilung, schon war ich da. In der Lampenabteilung war es gar nicht so heiß wie sonst, was wahrscheinlich daran lag, dass es noch Vormittag war. Zwischen den ganzen Schlafzimmern war ich mir dann aber nicht mehr sicher, ob ich auf dem richtigen Weg bin und habe nach einem fröhlichen „Guten Morgen“ von einem Verkäufer den richtigen Weg gesagt bekommen.

Beim Balton-Regal, das mir jetzt noch besser gefällt, auch wenn das Zubehör ziemlich teuer ist, habe ich meinen Muster-Einlegeboden erst einmal ausprobiert, ob das noch alles passt, Hersteller ändern ja gerne mal das Zubehör, um schöne neue Sachen zu verlaufen. Als Apple-Dauerkunde kann ich davon ja ein Liedlein singen. Alles hat gepasst, alles hat sich auch – wie gewohnt – ein bisschen verkeilt, aber ich habe dann mit dem Berater noch einen Auftrag ausgefüllt und bin zur Kasse. Ich habe mich auf dem Weg dorthin wie immer gefragt, warum keine Rolltreppe zur Kasse führt, dafür aber zwei von der Kasse nach oben, so dass ich wie die anderen Kunden auf den Aufzug angewiesen war. Es wird sich nicht klären lassen, ich hatte dennoch genug Zeit, an der Kasse darüber – und über anderes – nachzudenken, weil alle Problemkunden an diesem Vormittag an der einen Kasse ihre Probleme abwälzen wollten. Die arme Frau an der Kasse, die armen Kunden dahinter, mich eingeschlossen.

Die erste hatte en Problem mit dem Ausstellungsstück, das sie offenbar nicht sofort mitnehmen konnte. Abwechselnd blinzelte sie empört, rollte mit den Augen oder runzelte die Stirn, während sie immerzu den Kopf schüttelte und mit der Kassiererin schimpfte. Es hat lange genug gedauert, dann keifte eine noch empörtere Russin mit ihrem Mann los, weil sie einen Gutschein einlösen wollte, auf dem „Storniert“ stand. Das könne nicht sein, da hätte sich jemand ihre 30€, die ein Geburtstagsgeschenk waren (!), unter den Nagel gerissen und überhaupt, niemand in der Schlange sollte sich je Gutscheine kaufen, hat sie uns mehrmals belehrt. Die Kassiererin war sehr freundlich und hat die zwei auf de Hauptkasse verwiesen, was die empörte Frau aber nicht davon abgehalten hat, weiterhin ihr Problem breitzutreten, dass das Geschenk jetzt nicht verwendet werden könne und irgendein Neubert-Mitarbeiter jetzt ihre 30€ hätte. Mit den Kunden davor habe ich dann lachend die Übereinkunft getroffen, dass wir alle ganz schnell bezahlen und niemanden mehr nerven. Dazwischen hat noch eine Frau ihr Muster-Kissen angemeldet, als ich dann an der Reihe war, wollte ein Mann seine Storno-Rechnung kopiert haben, die Kassiererin versuchte ihm auch zu helfen, niemand am Telefon war aber offenbar bereit, ihr schnell eine Kopie zu machen. Das mir mir dann auch leidgetan, weil sie vorher so nett geblieben ist, obwohl sie laufend beschimpft worden ist.

Augen und Ohren auf! Beim Einkaufen ist es meistens lustig, wenn man gelassen bleibt und sich nicht von der allgemeinen Nervosität anstecken lässt.

Von Alex

Einst habe ich an der Universität in Würzburg studiert, jetzt bin ich Lehrer. Mein Lieblingszitat stammt aus dem grandiosen österreichischen Film Poppitz: „Dänkn däaf mass, soogn liaba neet“ – schließlich sind zumindest die Gedanken frei – wer es nicht verstanden hat: „Denken darf man es, sagen besser nicht“